Qualifizierung für die Betreuung und berufliche Förderung
von Menschen mit psychischen Behinderungen oder Persönlichkeitsstörungen in der WfbM


Der Anteil von Personen mit psychischen oder psychosozialen Störungen und daraus resultierenden Behinderungen hat in Werkstätten in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Die Störungsbilder sind vielfältiger geworden, und es treten neue Formen von Persönlichkeitsstörungen auf. Damit haben sich auch die Anforderungen für die Betreuung und die berufliche Integration der Beschäftigten verändert. Sowohl für Gruppenleiter als auch für die sozialen Dienste werden damit zusätzlich Qualifikationen erforderlich.
Diese Qualifikationen kann man gewöhnlich weder im Arbeitsalltag noch in einer sozialpädagogischen Ausbildung erwerben.
Unsere Weiterbildung vermittelt auf dem Hintergrund eines systemischen Ansatzes grundlegende Kenntnisse über Ursachen und Erscheinungsformen psychischer Krankheiten und über die Besonderheiten des Verhaltens der betroffenen Menschen. Die TeilnehmerInnen erlernen, das Verhalten und die Reaktionen psychisch gestörter Menschen besser einzuschätzen und sich mit den eigenen Verhaltensweisen darauf einzustellen. Es werden Vorgehensweisen vermittelt, wie man die Ressourcen des psychisch kranken und behinderten Menschen erforschen, beschreiben und über eine systematische Betreuungsplanung im Betreuungsprozess nutzen kann.
Es werden geeignete Organisationsformen zur Integration psychisch gestörter Menschen in der WfbM oder in anderen Betreuungsformen dargestellt.

Die Weiterbildung ist berufsbegleitend und praxisorientiert. Von den TeilnehmerInnen wird erwartet, dass sie während der Weiterbildung die Gelegenheit haben, mit behinderten Menschen zu arbeiten und dass sie ihre Erfahrungen einbringen.

Der Weiterbildungskurs besteht aus 12 zweitägigen Seminaren mit zusammen 176 Unterrichtsstunden, davon 7 Theorie- bzw. Technikseminare (davon ein Einführungsseminar), 5 Supervisionsseminare

Dauer der Weiterbildung: ca. 2 Jahre (berufsbegleitend)

Kosten: 3.360 € (ohne Unterkunft und Verpflegung) – Die Gebühren werden in halbjährlichen Raten jeweils für ein halbes Jahr im Voraus fällig.

Abschluss: Nach Absolvierung der Seminare und nach der Vorstellung von mindestens 5 Fällen erhalten die TeilnehmerInnen ein Zertifikat mit dem Titel „Systemische Fachkraft (bzw. je nach Anwendungsbereich Systemische Fachberaterin/Systemischer Fachberater) für die Betreuung und berufliche Förderung von Menschen mit psychischer Behinderung“.

Organisation: Die Fortbildung ist in Form von Modulen aufgebaut. Alle Module finden mehrmals im Jahr statt. Die Termine können frei belegt werden. Sie dauern am ersten Tag von 10-16 Uhr und am zweiten Tag von 9-16 Uhr. Tagungsort sit das Lagano Bildungszentrum in Hilchenbach bei Siegen.

Dozenten:

Helmut Johnson, Diplom-Psychologe, Instituts- und Kursleiter, Supervisor

Gunnar Johnson, Soziologe M.A., systemischer Berater und Supervisor

Jana Johnson, Psychologin Msc, Diplom-Sozialarbeiterin

Eberhard Kempf, Diplom-Psychologe

Winfried Klaes, Diplom-Psychologe

Inhalte der Weiterbildung
  1. Einführungsseminar – Grundlagen der Arbeit mit psychisch gestörten Menschen
    Helmut Johnson

    • Wie zeigen sich psychische Krankheiten und im Betreuungsalltag – was bedeuten die unterschiedlichen Diagnosen, mit welchen Komplikationen muss man rechnen?
    • Wie kann man eine psychische Krankheit verstehen – Wie ist das Verhältnis zwischen Krankheit und Persönlichkeit?
    • Systematik psychischer Störungen und Krankheiten
    • Krisenvermeidung/Krisenintervention
    • Einbeziehung des familiären Hintergrundes, Gespräche mit Angehörigen führen
    • Gesprächsführung mit Psychotikern
    • Besonderheiten im Umgang mit „jungen Wilden“
    • Kurzfristige und langfristige Planung der Integration und Rehabilitation
    • Umgang mit „Inklusion“ – ist „Selbstbestimmung“ immer das richtige Betreuungsziel?
    • Grundregeln in der Arbeitsorganisation bei psychisch gestörten Menschen.
  2. Persönlichkeitsentwicklung: Bindung – Entwicklung des Gehirns (Das Zusammenwirken von Umwelteinflüssen und Hirnphysiologie)
    Winfried Klaes

    • Eine „sichere Bindung“ ist wesentlicher Bestandteil einer gelingenden Persönlichkeitsentwicklung. Die Bindungsentwicklung wird durch die von Bowlby und Ainsworth in den 1960er Jahre formulierte „Bindungstheorie“ beschrieben. Diese Theorie, die den Begriff „Mutterbindung“ benutzt, ging in der Pädagogik – bedingt durch eine ideologisch geprägte Veränderung des Mainstreams – weitgehend verloren. Erst durch die Ergebnisse der Hirnforschung wurde sie um die Jahrtausendwende wiederentdeckt und neu begründet.
      In dem Seminar stellen wir die grundlegenden Elemente der Bindungstheorie und ihre Korrelate in der Hirnphysiologie dar. Wir beschreiben, wie sich das Verhalten des Kindes entwickelt und welche Vorgänge sie dabei im Gehirn abspielen. Weiterhin stellen wir dar, welche Probleme (und zum Teil irreparable Schäden) im Gehirn entstehen, wenn die Versorgung des Kindes im frühen Alter unzureichend ist.
      Das Seminar ist grundlegend für eine entwicklungsbezogene pädagogische Diagnostik und zur Begründung von pädagogischen Maßnahmen, die sich nicht am allgemein Erwünschten, sondern am persönlich Möglichen orientieren
  3. Technik-Seminar: Gesprächsführung mit Klienten und Angehörigen
    Eberhard Kempf

    • Wie motiviert man den Interview- bzw. Gesprächspartner so, dass er interessiert und aktiv am Gespräch teilnimmt?
    • Wie führt man das Gespräch so, dass man den Überblick behält und die gewonnenen Informationen bearbeiten und verwerten kann?
    • Welche Inhalte soll man erfragen?
    • Fehler im Interview
    • Interviews mit Angehörigen
  4. Einschätzung der Behinderung oder Störung – systemisch-pädagogische Diagnostik
    Gunnar Johnson

    • Erkennen und Einschätzen von Behinderungen
      • Analyse der aktuellen Situation
      • Behinderungsgeschichte – Lebensgeschichte
    • Systematik von Behinderungen und psychischen Störungen
      • Frühkindliche Hirnschäden
      • Frühe Bindungsschäden
      • Psychische Erkrankungen – der „Knick im Lebenslauf“
    • Strategische Betreuungsplanung
      • Die „persönlichen 100%“ – individualisierte Betreuungsziele setzen
      • Betreuungsart und Betreuungsintensität
  5. Psychiatrische Störungen und Psychopharmaka in der Betreuung von Menschen mit psychischen Krankheiten oder Behinderungen
    Eberhard Kempf

    • Immer mehr Menschen mit Behinderung haben eine psychiatrische Diagnose – immer häufiger und in immer höheren Dosen werden Psychopharmaka vergeben. Betreuer von Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung sind mit dem Problem konfrontiert, wie sie mit der psychiatrischen Vorgeschichte ihrer Klienten im Alltag umgehen sollen. Welche Bedeutung haben die Diagnosen für die Arbeit, welche Entwicklungsperspektive kann man für die Person daraus ableiten, welchen Sinn und welche Risiken bzw. Nachteile hat eine Dauermedikation mit Psychopharmaka? Welche Chancen gibt es, die Medikamentenvergabe zu reduzieren? Aus Unsicherheit neigen manche Betreuer dazu, die Entscheidungen über die Zukunft des Menschen ganz der Psychiatrie zu überlassen.
      Wir wollen mit unserem Seminar dazu beitragen, die Sicherheit und Kompetenz bei der Einordnung psychiatrischer Diagnosen und medikamentöser Therapien in den Betreuungsprozess zu erhöhen.
    • U.a. werden die folgenden Themenbereiche behandelt:
      • Wie denkt die Psychiatrie – wo kann sie im Betreuungsalltag helfen und wo nicht?
      • Die Bedeutung der psychiatrischen Diagnosen
      • Welche Medikamente werden wann vergeben?
      • Wie wirken die Medikamente und welche Langzeitwirkungen haben sie?
      • Brauchen die Klienten eine Dauermedikation?
      • Was ist bei der Reduzierung bzw. Absetzung von Medikamenten zu beachten?
      • Hinweise zur Zusammenarbeit mit der Psychiatrie
      • Möglichkeiten und Grenzen psychiatrischer Interventionen
  6. Borderlinestörungen“ bei Mädchen und jungen Frauen
    Jana Johnson

    • Wie kommt es zur Diagnose „Borderline“?
    • Die Pubertät als Phase des Schritts in eine eigenständige Identität – die Entwicklung des „Selbst“ – Grundlagen der Identitätsentwicklung
    • Warum tritt „Anritzen“ gerade bei Mädchen in der Pubertät auf?
    • Störungen in der Identitätsentwicklung – das „Schneewittchenproblem“
    • Die Bedeutung der Ursprungsfamilie(n) – wie sich „Borderline über mehrere Generationen entwickelt
    • Wie kann man eine Bindung/Beziehung zu dem Mädchen/der Frau aufbauen, was muss man beachten?
    • Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie
    • Umgang mit der „Vermutung sexuellen Missbrauchs“
  7. Junge Menschen mit „sozial-emotionalem Handicap“ („Junge Wilde“) im Berufsbildungsbereich der WfbM
    Gunnar Johnson

    • Was ist das „sozial-emotionale Handicap?
    • Wie entstehen Persönlichkeitsstörungen, wie entsteht das „sozial-emotionale Handicap“?
    • Worin besteht die „Behinderung“?
    • Grenzen der Förderung und Entwicklung
    • Betreuungsrahmen
    • Die besondere Rolle des Gruppenleiters
    • Persönliche Anforderungen an den Gruppenleiter
    • Planung der Betreuung – die Rolle des begleitenden Dienstes
    • Spezielle pädagogische Maßnahmen
    • Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen und mit der Familie
  • Supervisionsseminare
    • Helmut Johnson/Gunnar JohnsonDie Supervisionsseminare beinhalten den praktischen Teil der Ausbildung. Sie dienen dazu, die Erfahrungen der TeilnehmerInnen aufzuarbeiten und die Qualität der praktischen Arbeit zu verbessern. Sie beziehen die Persönlichkeit der TeilnehmerInnen, ihren Arbeitsplatz und ihre Arbeitsaufgaben (Fälle) in die Analyse ein. Sie haben das Ziel, die eigenen Ressourcen und Qualitäten zu aktivieren und damit die Grundlage eines selbstbewussten persönlichen und beruflichen Handelns zu erweitern.
      Es werden sowohl für einzelne Fälle Analysen und Lösungswege erarbeitet als auch für den Arbeitsplatz bzw. die Tätigkeit individuelle Konzepte entwickelt.