Hilfen zur Informationssammlung,
Informationsauswertung (Hypothesenbildung) und
Betreuungsplanung bei psychisch gestörten Menschen

defghij


Informationssammlung

Beschreibung der aktuellen Situation
Symptom-/Krankheitsgeschichte
Lebenslauf
Familiengeschichte

Informationsauswertung (Hypothesenbildung) und Betreuungsplanung

Grundlegendes Vorgehen bei der Hypothesenbildung
Vorgehen bei der Hypothesenbildung bei Personen mit psychischen Krankheiten/Behinderungen
Systemisches Störungsmodell (Störungstypen)

Beschreibung der aktuellen Situation

Die Beschreibung der aktuellen Situation ist naturgemäß abhängig von der Sichtweise und Einstellung des Betreuers. Besonders bei der Beschreibung psychotischen Verhaltens ist eine besondere Erfahrung und Qualifikation erforderlich. Wir möchten deshalb darauf hinweisen, daß oft schon der Versuch, eindeutige Informationen vom Klienten zu bekommen, die Symptomatik verstärken kann.

1. Beobachtungen zur Symptomatik

Ausdrucksformen der Krankheit/Behinderung – liegt wirklich eine psychische Krankheit/Behinderung vor?
(Abgrenzung zu geistiger Behinderung: Welches intellektuelle Vermögen hat der Klient? In welcher Hinsicht kann er seine persönlichen Belange nicht eigenständig organisieren? Welche Symptome treten auf? Welche Behandlungen finden statt? Welche Medikamente erhält der Klient?)

Wie äußert sich der Klient zu seiner Krankheit/Behinderung ?
(Hat er „Krankheitseinsicht“, wie setzt er sich mit seiner Symptomatik auseinander?)

Destruktive Verhaltensstörungen – Verhaltensauffälligkeiten
(Hier sollten nur solche Auffälligkeiten aufgeführt werden, an denen der Klient selbst oder Personen seiner Umwelt Schaden nehmen können. Insbesondere sind dies:

• Aggressionen
• Autoaggressionen
• Depressionen
• Suizidgedanken
• Sonstiges destruktives Verhalten)

2. Alltagsleben

Welche Anforderungen kann der Klient erfüllen und welche kann er (noch) nicht erfüllen?
(Hier sollten Beobachtungen aus dem Alltagsleben beschrieben werden, z.B. in welchem Grad kann er seine Zeit selbst organisieren, eine Tagesstruktur einhalten, arbeiten, sich in der Umwelt orientieren, mit Geld umgehen, usw. Womit ist der Klient überfordert?)

Emotionalität – Von welcher Art sind die Gefühlsäußerungen des Klienten?

Was ist dem Klienten besonders wichtig?

3. Soziale Kontakt- und Bindungsfähigkeit

Familiäre Bindungen und Beziehungen
(Zu welchen Familienmitgliedern hat der Klient Kontakt, wer sind die Hauptbezugspersonen,
wie gestalten sich die Kontakte, wie schätzen Sie die Stabilität der familiären Kontakte ein)

Bindung an Personen (außerhalb Familie)
(Wir empfehlen, jeweils für Betreuungspersonen und Freundschaften/Partnerschaften zu betrachten: Hat der Klient eine engere Anbindung an Personen, gibt es eine Hauptbezugsperson, wie sieht die Beziehung aus, wie geht die Bezugsperson mit dem Klienten um, usw. Wie reagiert der Klient auf einen Wechsel von Bezugspersonen? Zu welchen Personen sucht der Klient Nähe, kann er überhaupt Nähe ertragen? Welche Rolle spielt Sexualität für den Klienten?)

Bindung an Sachen
(An welchen Dingen hängt der Klient, gibt es Wechsel oder Konstanz in der Anbindung an Dinge)

4. Selbstbewußtsein, Weltanschauung, Wertvorstellungen
(Wie sieht das Bild des Klienten von sich und der Welt aus.)

Symptomgeschichte

Eine ressourcenorientierte Betreuung psychisch kranker/behinderter Menschen benötigt eine Zuordnung zu einem Störungsmodell (siehe systemische Störungsmodelle). Diese läßt sich meist nur aus der Kenntnis der Symptomgeschichte und der Lebensgeschichte ableiten.

Wann wurde das Vorliegen einer psychischen Erkrankung zum erstenmal festgestellt?
Aus welchem Verhalten schloß man auf die Krankheit?
Wie äußerte sich die Erkrankung zu Beginn?
Gab es schon vor der ersten medizinischen Diagnose auffälliges Verhalten?
Gab es Veränderungen oder Entscheidungssituationen im Leben des Klienten zur Zeit der ersten Feststellung der Erkrankung?
Wie verlief die Krankheit später?
Gab es aggressive Episoden?
In welchen Zeiten war der Klient stationär untergebracht?
Welche therapeutischen oder betreuerischen Maßnahmen wurden durchgeführt?

(Zur Beantwortung dieser Fragen ist es notwendig, alle denkbaren Quellen zu nutzen: medizinische und Sozialberichte, Befragung des Klienten, seiner Angehörigen, früherer Betreuer, Therapeuten, usw. Wichtig für die weitere Auswertung sind weniger diagnostische Begriffe, als eine Beschreibung des Verhaltens und Erlebens des Klienten.)

Wenn bei dem Klienten eine „Psychose“ diagnostiziert wurde:

Wie hat sich der Klient in seiner ersten akut psychotischen Episode verhalten, was waren seine „Themen“?
Wie hat er sich in späteren Episoden verhalten?

(Wir empfehlen, auch und insbesondere die Un-Sinnigkeiten des Verhaltens, Denkens und Erlebens schriftlich festzuhalten. Im Zusammenhang mit einer späteren Auswertung und einer genaueren Kenntnis der Person sind sie besonders wichtig und werden Sinn erhalten.)

Lebenslauf – Lebensgeschichte

Die Lebensgeschichte soll die Lebensumstände des Klienten in ihrem zeitlichen Verlauf dokumentieren.

Das Leben in und mit der Herkunftsfamilie
(Hier sollte beschrieben werden, wann und unter welchen Bedingungen der Klient aufgewachsen ist. Wo wurde er geboren, wie hat die Familie gelebt, welche Veränderungen traten im Laufe der Zeit ein. Eine ausführliche Beschreibung der Familienmitglieder wird im Kapitel „Familiengeschichte“ vorgenommen.)

Selbständiges Leben
(hat der Klient selbständig gelebt, hat er eine eigene Familie gegründet, wie war sein schulischer und beruflicher Werdegang, welche sozialen Kontakte hatte er, usw.)

War der Klient in der Kindheit dauerhaft fremd untergebracht?
(Zu welchen Zeiten war das Kind in welchen Einrichtungen (Berichte anfordern!), hatte es dort eine feste Bezugsperson, wie war die Bezugsperson, welcher Kontakt bestand zu den Eltern)

Gab es einen „Knick“ im Lebenslauf – wenn ja, wie waren die Lebensumstände vorher und nachher?
(Der Knick im Lebenslauf ist typisch bei Psychosen, je besser es gelingt, die Lebensumstände zu beschreiben, um so leichter kann man eine Vorstellung von seinen „2 Welten“ entwickeln.)

Familiengeschichte

(Familie ist hier als Ursprungsfamilie gemeint. Hat der Klient selbst eine Familie gegründet, wird diese unter „Lebenslauf“ beschrieben.) Über die Ursprungsfamilie erhält eine Person ihre Identität; Familie ist in dieser Beziehung durch keine Institution zu ersetzen. In der Familiengeschichte liegt die Ressource für die Entwicklung der Persönlichkeit des Klienten. Deshalb muss die Erforschung des familiären Hintergrundes in erster Linie auf die Suche und Beschreibung dieser Ressourcen konzentrieren; sie sollte nicht von dem Bedürfnis des Betreuers geleitet sein, den Defekt (die Störung, Krankheit) zu erklären. Die Familiengeschichte oder besser die Familiengeschichten des Klienten sind nie fertig geschrieben. Je länger die Betreuung besteht, um so mehr Familiengeschichten sollten den Betreuern bekannt sein.

Technische Hinweise

Die Erforschung, Sortierung und Nutzung der in der Ursprungsfamilie des Klienten liegenden Ressourcen ist eine langfristige, während er gesamten Zeit der Betreuung laufende Arbeit. In der Regel wird man die Familie mit dem Klienten selbst beschreiben. Dabei sollte man immer den Grundsatz berücksichtigen „die Ursprungsfamilie ist als Identifikationsbezug für den Klienten durch nichts und durch niemanden ersetzbar“. Das gilt auch, wenn Familienmitglieder „schlecht“ sind und/oder wenn der Klient eine negative Beziehung und ablehnende zu einzelnen oder allen Familienmitgliedern hat. Die Beschreibung von Familienmitgliedern und besonders von Eltern darf deshalb nie bei nur negativen Informationen stehen bleiben. Sie sollte immer darauf ausgerichtet sein, verwertbare Informationen zu erhalten (auch wenn der Klient dies manchmal ablehnt). In vielen Fällen ist eine direkte Zusammenarbeit mit Angehörigen erforderlich. Diese Zusammenarbeit sollte ebenfalls in dem Bewußtsein angelegt sein, dass man Informationen bekommen möchte, die für die langfristige Betreuung des Klienten, für seine Entwicklung und für das Zusammenleben mit ihm unentbehrlich sind. Deshalb sollte man nicht versuchen, die Gesprächspartner in ihrem Verhalten untereinander oder gegenüber dem kranken/behinderten Familienmitglied zu erziehen oder zu verändern. Erst recht sollte man sie nicht kritisieren oder verurteilen.

Im Mittelpunkt sollte immer die Frage stehen:

„Was kann der kranke/behinderte Mensch aus seiner Familie mitbekommen haben?“

Häufig können weder der Klient selbst noch seine nächsten Angehörigen eine Antwort auf diese Frage geben. Deshalb ist es sinnvoll, zunächst die Lebensweise, Fähigkeiten und Besonderheiten der einzelnen Familienmitglieder zu beschreiben, um die darin liegenden Besonderheiten später auf den Klienten zu beziehen.

Sie wollen aus der Ursprungsfamilie wissen:

Welche Mitglieder hat die Kernfamilie (Vater, Mutter, Geschwister), wie heißen sie mit Vornamen und wann sind sie geboren (Geburtsjahr ist besser als Alter)?
Familienmitglieder in Mutters Ursprungsfamilie
Familienmitglieder in Vaters Ursprungsfamilie
Wo und wie wohnen (wohnten) die Personen?
Welche Berufe haben sie, wovon leben sie, welchen sozialen Status haben sie (welches Auto fahren sie), usw.?
Wie sehen sie aus?
Was sind die Besonderheiten der Männer und Frauen in den jeweiligen Ursprungsfamilien der Eltern?
Wie haben die beiden Eltern in ihren jeweiligen Ursprungsfamilien gelebt?

In der Regel ist es sehr ergiebig, mit den Gesprächspartnern Fotoalben anzuschauen. Auch andere Dokumente (z.B. Familienstammbäume, Urkunden, usw.) sollten hinzugezogen werden. Bei „Entwurzelungssymptomen“ reicht es meist aus, wenn man ein genaues Bild der einzelnen Familienmitglieder bis zu den Großeltern entwickelt hat. Bei „2-Welten-Symptomen“ (z.B. Psychose) sucht man zusätzlich nach der Doppelungsstruktur in
der Großelterngeneration und man sollte die Beteiligten an der Doppelungsstruktur aus ihren Ursprungssystemen beschreiben (siehe die systemischen Störungsmodelle).

Hinweise zur Interviewtechnik

Stellen Sie möglichst keine Beziehungsfragen! (Die Antworten erhalten weniger verwertbare Informationen als man denkt und die Gefahr ist groß, daß Sie gar keine Informationen mehr erhalten weil die Interviewpartner einen Verlust der familiären Intimität fürchten.)

Stellen Sie möglichst wenige Fragen zu Gefühlen. Stellen Sie lieber fragen zu beobachtbaren Dingen.

Schreiben Sie die wichtigen Informationen möglichst sofort auf, später kommen Sie sowieso nicht mehr dazu oder die Einzelheiten fallen Ihnen nicht mehr ein. Wenn Sie den Angehörigen erklären, dass Sie mithelfen wollen, für ihr behindertes Familienmitglied die Familie zu erhalten, haben diese viel Geduld mit Ihnen.Machen Sie Ihre Überlegungen und Ihre Dokumentation für den Gesprächspartner transparent, indem Sie während des Gesprächs ein Genogramm aufmalen.

Informationsauswertung (Hypothesenbildung) und Betreuungsplanung

Grundlegendes Vorgehen bei der Hypothesenbildung
Systemisches Störungsmodell (Störungstypen)
Vorgehen bei der Hypothesenbildung bei Personen mit psychischen Krankheiten/Behinderungen

Grundlegendes zur Hypothesenbildung

Die Informationsauswertung soll zu einer Hypothese über die Persönlichkeit des Klienten führen. Besonderer Wert wird auf die Beschreibung der Entwicklungsmöglichkeiten der Persönlichkeit gelegt.

In die Hypothese sollten möglichst alle Informationen über den Klienten eingebaut sein. Das Schema für die Hypothesenbildung ergibt sich aus dem folgenden Bild:

Die Persönlichkeit des Kindes (des Klienten) entwickelt sich

1. aus der wechselseitigen Beeinflussung der väterlichen und mütterlichen Modelle (Vorbilder) im Kind (Klienten) und
2. aus der Wechselwirkung der so verinnerlichten Modelle mit den Umweltanforderungen (die im konkreten Verhalten sichtbar wird).

Die Hypothese über die Persönlichkeit des Klienten gibt eine Antwort auf die Frage:

Wie entsteht unter Verwendung der familiären Modelle das persönliche Verhalten des Klienten bei Anforderungen aus der Umwelt?

Anmerkung: Es ist das generelle Ziel der Arbeit, daß möglichst viele der in den Ursprungsfamilien enthaltenen Ressourcen dem Klienten zur Verfügung stehen und von ihm genutzt werden können.

Die Hypothese sollte zwei Elemente enthalten:

1. Struktur der Persönlichkeit (darunter ist die Systematik der Wechselwirkungen von familiären Modellen zu verstehen) z.B.

sind beide Eltern bekannt?
stehen beide gleichermaßen und gleichwertig als Modelle zur Verfügung?
ist eine Elternposition (Großelternposition) evtl. doppelt besetzt (Stiefeltern, Adoptiveltern, usw.)?
welche Struktur hat die Ursprungsfamilie jedes Elternteils (Eltern als Kind ihrer Familie)?
gibt es eine Systematik der „Aufteilung von Doppelungen“ (wird an anderer Stelle erklärt)?
Lassen sich die Hintergründe für Störungen oder Symptome aus der Struktur des Familiensystems ableiten? (siehe dazu die Systematik von Strukturen und Störungen)

2. Inhalte der Persönlichkeit (Merkmale, Eigenarten und Besonderheiten, die im Verhalten, in der Emotionalität und in der sozialen Stellung sichtbar werden), z.B.

Aussehen
Arbeit
Sozialer Status
Wünsche und Bedürfnisse
Partnerwahl, usw.

Die Aufspaltung der Hypothesen in zwei Elemente hat in der Hauptsache zum Zweck, Störungen und Symptome zu analysieren, um eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob man bei den durchzuführenden Maßnahmen „synthetisch“ arbeiten kann (also eindeutige Ziele setzen kann, eindeutige Beziehungen entwickeln kann, die Ressourcen der Ursprungsfamilie zusammenführen kann, usw.), oder ob man mit einem „2-Welten-Modell“ arbeiten muß (also das Hin- und Herspringen der Persönlichkeit zwischen zwei Lebensarten).

Vorgehen bei der Hypothesenbildung und Betreuungsplanung bei Personen mit psychischen Krankheiten/Behinderungen

1. Schritt
Wir empfehlen, zunächst eine grundsätzliche Entscheidung darüber zu treffen:

Handelt es sich eher um eine „entwurzelte“ Persönlichkeit oder um eine „2-Welten-“ Persönlichkeit?

Typische Merkmale bei „Entwurzelung“

Probleme treten schon früh, meistens während der gesamten Lebensgeschichte auf
Der durchschnittliche Stand Gleichaltriger wird in der Lebensgeschichte in vielen wesentlichen Bereichen nicht erreicht
Die Eltern stehen als Identifikationsmodelle nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung
Mehrfacher Bezugspersonenwechsel in der Kindheit
Der Klient kann nur wenige Daten und Fakten über seine Ursprungsfamilie berichten – er hat aus der Familie zu wenig zur Verfügung (keine „Wurzeln“ im familiären Hintergrund)
• Beziehungen und Bindungen sind nicht stabil
• Der Klient ist mit der Selbstorganisation des Alltagslebens überfordert
• Wert- und Moralkategorien werden nicht durchgängig verwendet
• Die Konsequenzen des eigene Verhaltens werden nicht abgeschätzt (Steuerung durch kurzfristige Bedürfnisse)
• Der Klient reagiert auf Fremdsteuerung und Struktursetzung positiv
• Der Klient reagiert auf große Entscheidungsspielräume und eine unstrukturierte Umgebung mit Stress und Symptomen

Typische Merkmale einer „2-Welten-Persönlichkeit“

Probleme treten frühestens in der Pubertät, meistens zwischen dem 16. und dem 20. Lebensjahr, manchmal noch später zu ersten mal auf (Knick im Lebenslauf)
Eine psychische Krankheit (Neurose oder Psychose) ist diagnostiziert
Die Probleme sind Ausdruck eines grundlegenden Entscheidungskonflikts (zwischen zwei unterschiedlichen Arten zu leben)
Eine persönliche Festlegung ist in wesentlichen Bereichen des Lebens nicht möglich
Bei Eltern oder Großeltern gibt es eine „Doppelung“ (bei Menschen mit einer Psychose ist diese oft nicht bekannt) – der Klient hat aus der Familie zu viele Muster zur Verfügung
Rigide Moral- und Wertvorstellungen im Familiensystem
„Doppelbindung“ zu mindestens einem Elternteil („Kalt-Warm-Beziehung“)
persönliche Partnerbeziehungen enthalten starke Elemente von Doppelbindungen
der Klient reagiert auf Fremdsteuerung, Struktursetzung und Entscheidungserwartungen mit Stress und Symptomen

2. Schritt
Die Vorgehensweise bei „Entwurzelung“ und „2-Welten“ unterscheidet sich grundlegend.

Bei „Entwurzelung“

Festlegung und Organisierung eines eindeutigen, strukturierten Rahmens für das tägliche Leben
Anbindung an eine Hauptbezugsperson (die Person sollte handlungsorientiert sein und nicht dazu neigen zu diskutieren und zu moralisieren)
Suche nach „Wurzeln“ (Erweiterung der familiären Identifikationsbasis)

Bei „2-Welten“
Die Hypothesenbildung und Betreuungsplanung erfordert weitere Schritte

1. Weitere Hypothesenbildung zu Struktur in Inhalten der Person. Wir empfehlen, mit dem Klienten zusammen eine Liste zur Beschreibung und Gegenüberstellung der 2 Welten anzulegen.

Die 2-Welten-Liste behält Hypothesencharakter. Im Verlauf der Betreuung muß sich laufend überarbeitet und die Zuordnungen evtl. verändert werden.

2. Allgemeine Umsetzung in einen Betreuungsrahmen und Realisierung der drei Grundprinzipien im Umgang mit 2-Welten-Systemen

Gleichwertigkeit (beide Welten haben den gleichen Wert)
Gleichgewichtigkeit (beide Welten müssen in Ihrer Realisierung im Gleichgewicht sein)
Trennung (beide Welten müssen getrennt realisiert werden – sie dürfen nicht vermischt werden)

3. Spezielle Maßnahmen

geeignete Betreuungspersonen bestimmen (sie sollten für die Umsetzung der drei Grundprinzipien speziell qualifiziert sein und besonders in der Lage sein mit Distanz („kopfgesteuert“) zu arbeiten)
Gestaltung des Lebensrahmens, so dass eine Realisierung der 2-Welten möglich ist
Erforschung der 2 Welten im Familiensystem

Systemisches Störungsmodell

A) Grundtypen

A 1. Historische Entwurzelung

Vater und Mutter stehen als Modelle nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.

A 2. Kulturelle Entwurzelung

Die zur Verfügung stehenden historischen Modelle organisieren die Umwelt nicht, z.B. als Folge plötzlichen Wertewandels bzw. Wechsel des Lebensraumes in Folge Migration.

A 3. Strukturstörungen auf Grund von Doppelungen

Mindestens eine der identifizierenden Rollen ist doppelt besetzt. Die Annahme der kulturellen Umwelt bezüglich Eindeutigkeit der identifizierenden Anbindung (ein Vater, eine Mutter) und die normierende Forderung nach Eindeutigkeit der Person erzeugen eine Paradoxie.

B) Folgetypen (in der nächsten Generation)

B 1. aus historischer Entwurzelung

a) bei Kindern

Entwicklungsverzögerungen
Konzentrationsschwäche
„Hospitalisierungssymptome“
Bindungsschwäche
Schulleistungsschwäche
Ängste
Anhängen an aggressive Modelle

b) bei Erwachsenen

fehlende Konstanz in Beziehungen
fehlendes Selbstbewusstsein
erhöhte Unsicherheit und Ängstlichkeit
Suche nach Fremdsteuerung
Überforderung bei komplexen Anforderungen

B 2. aus kultureller Entwurzelung

a) bei Kindern

Rückzug und Isolierung
Leistungsversagen
Aggressivität

b) bei Erwachsenen

Rückzug und Isolierung
Deutsche Sprache wird nicht erlernt
Übernahme fundamentalistischer Modelle (fremdsteuernd)
Psychosomatische Störungen
Depression

B 3. Strukturstörungen

a) 1. Folgegeneration

bei Kindern

Beziehungskonflikte in der Familie

bei Erwachsenen

Unsicherheit
Beziehungskonflikte mit Ursprungsfamilie (Eltern und/oder Geschwistern)

b) 2. Folgegeneration

a) wenn Dopplung bekannt: siehe Symptome der 1. Folgegeneration zusätzlich:
Beziehungskonflik
te in Partnerschaft, Partnerwechsel

b) wenn Dopplung unbekannt bzw. tabuisiert (rigides Normierungsverhalten in der Elterngeneration)

• Psychosen (“Knick” im Lebenslauf)
• Neurosen, insbesondere Angststörungen und Zwänge
• Anorexie und Alkoholabhängigkeit bei Frauen
• Drogenabhängigkeit

c) 3. Folgegeneration

bei Kindern
a) Elternteil agiert symptomatisch ohne unmittelbare Einbeziehung der Kinder:

• Symptome wie bei „Entwurzelung“
• Verwahrlosung

b) Elternteil bezieht Kind in psychotisches Erleben ein:

• gravierende Persönlichkeitsstörungen
• Entwicklungsstörungen bis hin zu geistiger Behinderung
• „kopierte Psychose“ – psychotisches Verhalten wird nachgeahmt
• Psychosomatische Störungen

bei Erwachsenen

• symptomatisches Verhalten des Kindesalters bleibt bestehen
• häufiger Wechsel der Partnerschaft und des Lebensraumes
• psychische Behinderung