Modell einer zeitgemäßen Organisation sozialer Einrichtungen


Soziale Einrichtungen erleben eine Zeit des Umbruchs. Dieser bezieht sich auf alle Bereiche ih-rer ideellen und materiellen Existenz. Es fängt an beim Gegenstand der Tätigkeit, der sich nicht mehr aus einem selbsterteilten und aus der eigenen Idee geborenen Auftrag ableiten läßt. Es geht weiter über die Sicht des und die Einstellung zum Menschen in der Institution – gleich ob Klient oder Mitarbeiter -, dessen zunehmende Subjekthaftigkeit und Individualität eine neue Qualität der gegenseitigen Akzeptanz erfordert. Und es geht hin bis hin zur Auffassung der Öffentlichkeit, daß es sich bei der sozialen Arbeit einer Einrichtung um das Erbringen einer Dienstleistung handelt, die in Kategorien von Preis und Leistung erfaßbar ist und die von daher mit anderen Wirtschaftstätigkeiten vergleichbar ist. War es noch vor Jahren ein Sakrileg, eine soziale Einrichtung mit einem Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Wirtschaft zu vergleichen, so geht heute dieser im Vergleich zu Wirtschaftsunternehmen bestehende Schonraum zunehmend verloren. Als Folge davon verlieren soziale Einrichtungen und deren Träger ihre noch in vielen Bereichen bestehenden Monopole und werden den Gesetzen des Marktes und des Wettbewerbs ausgesetzt. Der Organisationsaufbau sozialer Einrichtungen und ihrer Träger war und ist nach wie vor ihrer traditionellen Rolle in der Gesellschaft angepaßt. Er ist darauf ausgerichtet, einen mehr oder weniger fest umgrenzten dauerhaften Versorgungsauftrag abzuarbeiten. Sowie sich diese Auftragssituation verändert, verlieren die bisher erfolgreichen Formen der Organisation sozialer Einrichtungen ihre Funktionalität, und zwar so weitgehend, daß sich oft überraschend schnell die Frage der materiellen Weiterexistenz stellt. Wir wollen in diesem Aufsatz die wesentlichen Grundlagen für den Organisationsaufbau sozialer Einrichtungen darstellen, die sich als moderne Dienstleistungsunternehmen verstehen und die damit die Chance haben, sich dauerhaft am Markt zu halten. Wir werden diese neuen Organisationsanforderungen mit den traditionellen Organisationsformen sozialer Einrichtungen und ihrer Träger vergleichen und Möglichkeiten des Übergangs von der alten in die neue Form aufzeigen.

  1. Die traditionelle Top-down- Organisation oder die „Quadratischen“

Abb.1 Schema Top-Down-Organisation

Bis vor nicht all zu langer Zeit waren alle soziale Einrichtungen nach dem „Top-down-Prinzip“ organisiert. In dieser Organisationsform ist die gesamte Weisheit und der gesamte Plan zur Herstellung von Produkten in „Top“ (A), also der Spitze der Organisation enthalten. Entsprechend einem von dieser Spitze festgelegten Schema werden einzelne Teile der Erkenntnis und Handlungsaufträge an die nächste Ebene weitergegeben. Dieses Schema gilt für alle hierarchischen Ebenen der Organisation. Abb. 1 stellt diesen Prozeß dar (wir nennen dies auch die Organisation der „Quadratischen“, weil jede beteiligten Personen sich im Denken und Handeln an die oberste Spitze anzupassen hat, d.h. ein – vielleicht verkleinertes- Abbild der obersten Spitze darstellt).

Diese Form der Organisation hat eine Reihe von Eigenheiten, die ich kurz aufzählen möchte:

  • Der Plan für das gesamte Unternehmen und seine Produkte entsteht im Kopf der obersten Leitung.
    • Die oberste Leitung trifft alle wichtigen Entscheidungen.
    • Alle Personen sind austauschbar, ohne daß sich in der Organisation etwas ändert.
    • Jede Leitungsebene braucht der darunter liegenden Ebene keine Rechenschaft über ihre Entscheidungen und ihr Verhalten abzulegen. Dagegen ist sie jeder darüber liegenden Leitungsebene rechenschaftspflichtig.
    • Die oberste Leitungsebene ist niemandem rechenschaftspflichtig, sie bezieht sich nur auf „das Gesetz“.
    • Die oberste Leitungsperson ist die wichtigste (genau genommen: die einzige wichtige) Person im Betrieb.
    • Von Bedeutung im Organisationsaufbau ist nicht die Person und ihre Leistung, sondern die korrekte Besetzung der vorgegebenen Position.
    • Damit jede Leitungsposition kontinuierlich besetzt ist, muß es für jede Leitungsperson einen Stellvertreter geben. Wenn der Stellvertreter des Leiters die Position übernimmt (z.B. bei dessen Abwesenheit), verändert sich im Organisationsablauf nichts gegenüber der Anwesenheit des Leiters.

Die Leitungstätigkeit in diesem System ist gekennzeichnet durch die Entwicklung von Vorgaben für die nächste Ebene. Die Arbeit wird durch ein dichtes Netz von Verordnungen und Dienstanweisungen reglementiert. Diese Anweisungen werden möglichst schriftlich verfaßt; das hat den Vorteil, daß sie einer großen Anzahl von Mitarbeitern zugänglich gemacht werden können. Dementsprechend kann mit einer großen Leitungsspanne gearbeitet werden, die im Grunde nur durch die Ausübung von Kontrollfunktionen eingeschränkt wird, d.h. es können so viele Mitarbeiter geleitet werden, wie der Leiter kontrollieren kann. Dienstanweisungen und Kontrollfunktionen sind die wesentlichen Leitungselemente. Typisch für einen Top-down organisierten Betrieb ist eine eigenständige Verwaltungs- und Kontrollorganisation, die getrennt und parallel zur „produktiven“ Organisation besteht und die in sich die gleiche Struktur hat. Die Kontrollorganisation hat in erster Linie die Aufgabe, das „quadratisch-sein“ der Personen auf jeder Ebene der produktiven Organisation zu überwachen, d.h. der jeweiligen Leitung Daten darüber zu liefern, ob die nachfolgende Ebene die gesetzten Aufgaben erfüllt hat. Als Produkt der Kontrollorganisation entsteht ein von Personen unabhängiges „abstraktes Wissen“ über Organisationsabläufe und Arbeitsergebnisse. Abstraktes Wissen heißt, dass die Kontrollorganisation den Leitungen Informationen in Form abstrahierender Zahlen, Statistiken, usw. zur Verfügung stellt. Die konkrete Arbeit im einzelnen Fall wird nicht dargestellt. In der Regel wird die Rolle der Kontrollorganisation eines Top-down organisierten Betriebes im sozialen Bereich von der Verwaltung wahrgenommen. In einigen Fällen wird eine sogar gesonderte Kontrollorganisation aufgebaut. Da das Sammeln abstrakten Wissens eine zeit- und arbeitsintensive Aufgabe ist, ist die Verwaltungsorganisation personell stark ausgebaut. Die Trennung der Kontroll- / Verwaltungsorganisation und der produzierenden Organisation ist nicht selten so strikt, daß sie auch die oberste Leitung einbezieht und daß deshalb die oberste Spitze mit zwei Personen besetzt ist (z.B. ein kaufmännischer oder Verwaltungsleiter und ein pädagogischer Leiter).

Abb.2 Trennung von Verwaltungsorganisation und produktiver Organisation

Die im Grunde einfachen und klaren Organisationsstrukturen des Top-down organisierten Unternehmens werden je nach Größe der Verwaltungs-/ Kontrollorganisation zunehmend kompliziert und undurchsichtig. Der „produzierende“ Mitarbeiter hat nicht nur seinem unmittelbaren Vorgesetzten Folge zu leisten und Rechenschaft abzulegen, sondern auch jedem Sachbearbeiter der Verwaltung, dem er Informationen für dessen Kontrollaufgaben abliefern muß. Aus seiner Sicht hat er nicht nur einen Chef, sondern praktisch jeder Mitarbeiter der Verwaltungsorganisation kann in einem bestimmten Bereich sein Chef sein. Wenn man sich das in Abb. 2 dargestellte Modell über eine oder zwei Hierarchieebenen fortgesetzt denkt, wird man feststellen, das dieses
Problem nicht nur für den „produzierenden“ Mitarbeiter selbst auftritt, sondern gleichermaßen für jeden Leiter des „produktiven“ Bereichs, manchmal sogar für den „pädagogischen“ Leiter (A 2). Schon bei relativ kleinen Unternehmen entwickelt sich auf diese Weise eine hochkomplexe Kommunikationsstruktur. Dabei tritt der paradoxe Effekt auf, daß sie nur sehr begrenzt in der Lage ist, die oberste Leitung bei ihren Entscheidungsfindungen zu unterstützen. Häufig passiert es, dass die riesigen, von der Kontrollorganisation produzierten abstrakten Datenmengen von der obersten Leitung gar nicht mehr verarbeitet werden können, so daß diese wiederum Entschei-dungen fällen muss, ohne überhaupt informiert zu sein. An dieser Stelle fängt die Organisation an, sich in ihrem selbst aufgebauten Netz zu verstricken. Die Sammlung von abstraktem Wissen verselbständigt sich, die Zahlen- und Datenmenge wird immer größer, ohne daß die oberste Leitung wirklich besser informiert ist. Die Informationsgewinnung der obersten Leitung über die Verwaltungs- und Kontrollorganisation führt tendenziell zur Des- oder Fehlorientiertheit, die Entscheidungen fallen auf einem niedrigen Wissensstand über die wirklichen Gegebenheiten in der Organisation. Die so getroffenen Entscheidungen verstärken allerdings das Top-down- Prinzip und demonstrieren für die gesamte Belegschaft den
absolutistischen, d.h. von unten unbeeinflußbaren, Charakter der obersten Leitung. An dieser Stelle sei ausdrücklich auf die Erfahrung hingewiesen, daß heutzutage kaum ein Vorstand, Vorsitzender, Geschäftsführer oder sonstiger oberster Leiter einer sozialen Einrichtung oder eines Trägers von sich aus die Absicht hat oder es für gut hält, wie ein absolutistischer Herrscher oder Despot zu regieren. Für die meisten paßt eine solche Rolle weder zu ihrer persönlichen Einstellung noch zu ihrem Charakter. Die Organisationsstruktur vieler sozialer Einrichtungen ist jedoch in ihrem Top-down- Prinzip so verfestigt, daß auch neue Personen in Spitzenfunktionen sich der Anpassung an diese Struktur nicht entziehen können. Die Strukturen eines solchen Systems sind gegenüber verändernden Einflüssen von innen wie von außen äußerst resistent, bisweilen sogar so resistent, daß sie nicht einmal bemerken, wenn ihre ökonomische Basis verloren geht. Top-down- Organisationen können da erfolgreich sein, wo es gilt, festgelegte Abläufe nach immer dem gleichen Schema zu organisieren. Das ist z.B. in manchen Serienproduktionen der Fall oder in manchen Bereichen der öffentlichen Verwaltung. Sie brauchen darüber hinaus gleichbleibende und stabile äußere Bedingungen und eine Mitarbeiterschaft, die Uniformität und Kollektivität über Individualität stellt. Alle diese Grundbedingungen sind heute in sozialen Bereichen nicht mehr gegeben, deshalb hat die traditionelle Form der Organisation sozialer Einrichtungen keine Zukunft mehr.

  1. Das Modell einer Bottom-to-top- Organisation oder das System der „Runden“ als Alternative zur traditionellen Organisation

2.1. Theoretische Vorüberlegungen
Der Grundgedanke einer Bottom-to-top- Organisation besteht darin, daß ein Produkt nicht im Kopf einer Person entsteht, sondern aus dem Zusammenwirken, der Zusammenarbeit, unterschiedlicher Personen, die jeweils eigene Gedanken, Vorstellungen, Pläne und Ziele haben. Aufgabe der Organisation ist es, die „Eigenköpfigkeiten“ der Produzenten zur Herstellung der Produkte zusammenzufügen. Wie sich eine solche Organisation entwickelt und aufbaut, wollen wir im folgenden schrittweise beschreiben.

2.1.1. Das Zusammenwirken von zwei Personen als kleinste Einheit der Organisation
In unserer Kultur hat jede Person eine eigene Identität, d.h. jede Person unterscheidet sich von jeder anderen. Jeder hat eine eigene Art, einen eigenen Plan, die Dinge des Lebens zu organisieren. Wenn zwei Personen unabhängig, also ohne Über- oder Unterordnung, zusammenarbeiten, geht der persönliche (Lebens-) Plan beider in den Arbeitsprozeß und in das Arbeitsergebnis ein, d.h. es entsteht ein „Produkt“ als Synthese zweier unterschiedlicher Pläne. Dieses Produkt ist eine „Neuentwicklung“, sofern die beiden Beteiligten das Gleiche nicht vorher schon einmal hergestellt haben. Zwei andere Beteiligte, die den gleichen Auftrag haben, werden ein von dem Produkt der ersten beiden unterschiedliches Produkt herstellen, weil ja auch hier wieder ihre individuellen Pläne eingehen. Diese „Dialektik“, d.h. das Eingehen von Unterschiedlichkeiten bzw. Gegensätzlichkeiten in das Arbeitsprodukt, ist die Grundlage jeder Entwicklung von Produkten und Organisationen.

Abb. 3 Zusammenwirken eigenständiger Personen (unabhängiger Systeme)

In der sozialen Arbeit kann man sich diesen Prozeß sehr gut veranschaulichen: Wenn wir den Betreuer und den Betreuten als zwei eigenständige Persönlichkeiten sehen (was nicht immer so gesehen wird), die ein gemeinsames Arbeitsergebnis erzielen wollen oder sollen, dann ist dieses Ergebnis abhängig von den persönlichen Fähigkeiten, Einstellungen, Gefühlen usw., die jeder in diesen Prozess einbringt. Tauscht man den Betreuer gegen einen anderen aus, wird auch das Betreuungsergebnis anders aussehen. Tritt an die Stelle des Betreuten eine andere Person, wird wiederum ein anderes Arbeitsergebnis erzielt als beim ersten Betreuten. Dasselbe gilt natürlich auch im Ergebnis der Zusammenarbeit von jeweils zwei Betreuern, zu welchem Zweck auch immer sie erfolgt. Neuentwicklung ist notwendig und unabdingbar, sofern beide Pläne in der Arbeit Berücksichtigung finden; sie findet aber nicht statt, wenn nur der Plan einer der beiden Beteiligten gilt.

2.1.2. Hierarchiebildung in der Organisation
Die Zusammenarbeit von drei Personen läßt sich wie folgt darstellen:

Abb. 4 Hierarchiefreie Zusammenarbeit von 3 Personen

Abbildung 4 zeigt, daß jeweils zwei Personen ihre Pläne abstimmen und ein „Produkt“ entwerfen, so daß aus drei Einzelprodukten und deren Abstimmung untereinander das Gesamtprodukt entsteht. Wenn drei Personen gleichberechtigt an der Herstellung eines Gegenstandes beteiligt sind, ist damit der Herstellungsprozeß schon um ein Vielfaches komplizierter gegenüber der Beteiligung zweier Personen. Fügen wir der Gruppe eine weitere Person hinzu, haben wir es schon mit sechs diadischen Beziehungen zu tun, sowie der Notwendigkeit, diese auf einander abzustimmen, um ein Produkt herzustellen. Bei einem fünften Beteiligten sind es 11 Abstimmungen (Abb. 5) usw.

Abb. 5 Hierarchiefreie Zusammenarbeit von 5 Personen

In der Praxis erweist es sich, daß schon bei 4 Beteiligten ein großer Teil der Arbeitszeit für Diskussionen innerhalb des Abstimmungsprozesses verbraucht wird und für die eigentliche Produktion verloren geht. Mehr als 4 Beteiligte erzielen in der Regel ohne Hierarchisierung kein Arbeitsergebnis mehr. Demzufolge kommt eine solche Konstellation nur sehr selten vor und das auch nur dann, wenn die aufgewandte persönliche Zeit keinen Kostenfaktor im Arbeitsergebnis darstellt, also im Bereich von Freizeit und Hobby. Wenn mehr als 4 Personen an der Herstellung eines Produktes beteiligt sind – oft auch schon, wenn nur 4 Personen beteiligt sind -, bildet sich
nahezu automatisch eine Hierarchisierung der Kommunikation.

Abb. 6 Hierarchiebildung in einem Bottom-to-top-System

Hierarchisierung bedeutet in diesem Zusammenhang, daß nicht mehr jeder mit jedem den Entwurf des Produktes abstimmt, sondern daß die Kommunikation auf nur eine Person konzentriert ist. In unserer Abbildung ist es Person A, die die Aufgabe übernimmt, sich mit jedem abzustimmen und die dadurch gewährleistet, daß jeder Plan der B`s in dem Gesamtprodukt enthalten ist. Die konkrete Zusammenarbeit zwischen dem A und den B`s hat keinen anderen Charakter als in dem vorangegangenen hierarchiefreien Modell die Zusammenarbeit zwischen zwei gleichberechtigten Personen. A hat nicht, wie in einem Top-down- System, ein fertiges Bild des Produktes im Kopf. Das Produkt entsteht erst aus der Zusammenarbeit von A mit jedem der B`s. Dabei geht in das Produkt nach wie vor der persönliche Plan jedes der Beteiligten ein. Das Produkt ist eine „Neuentwicklung“ unter Einbeziehung aller individuellen Pläne. Dies ist das Grundmodell einer Bottom-to-top- Organisation. Wir nennen sie in Abgrenzung der an der Organisation beteiligten Personen von einer Top-down- Organisation die Organisation der „Runden“ und wählen in der Darstellung Kreise statt Quadrate. (Ergänzend sei erwähnt, daß zwischen den einzelnen B ́s natürlich auch individuelle „Produkte“ entstehen. Diese werden durch den jeweiligen B an A vermittelt und damit der Organisierung zur Verfügung gestellt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde darauf verzichtet, sie in die Abbildung aufzunehmen). Das wesentliche Merkmal dieser Organisation besteht darin, daß sie in die Individualität, d.h. auch die „Köpfe“, aller Beteiligten für die Entwicklung und Herstellung des Produktes nutzt. Jeder Mitarbeiter hat persönliche Verantwortung. Das Gesamtprodukt besteht aus persönlich verantworteten Einzelprodukten wobei der persönlich verantwortete Teil prinzipiell nachvollziehbar ist.

2.2. Praxis des Organisationsmodells in einer sozialen Einrichtung
Im folgenden wollen wir die Elemente und Abläufe einer ergebnisorientierten (produktorientierten) Bottom-to-top- Organisation in einer sozialen Einrichtung darstellen. Bei dem herzustellenden „Produkt“ handelt es sich um eine personenbezogene Dienstleistung, die in der Hauptsache aus dem persönlichen Engagement einer oder mehrerer betreuender Personen besteht. Sie hat das Ziel, einen bedürftigen Menschen so zu unterstützen, dass er ein Maximum seiner persönlichen Ressourcen in das institutionelle und gemeinschaftliche Leben einbringen kann (zur genaueren Beschreibung des Produkts sozialer Arbeit siehe Johnson, 1999).

Erstes Element der Organisation: Eindeutigkeit der Personenverantwortung

Die einzelne Person ist in einem sozialen Dienstleistungsbetrieb die kleinste zu organisierende Einheit. Um die Person als Einheit oder als „Ganzheit“ in ein System zu integrieren, ist es notwendig, eine dafür persönlich verantwortliche Person festzulegen. Dieser Prozess beginnt mit der Integration eines Klienten. Eine Person muß dafür verantwortlich gemacht werden, daß alle Belange dieses Klienten in der Institution berücksichtigt werden; wir nennen diese Person „Bezugsbetreuer“ (auch „Bezugserzieher“ o.ä.). Diese Person ist nicht etwa die einzige, die eine Beziehung zu dem Klienten hat, aber sie hat als einzige die Aufgabe, die Kenntnisse und Erkenntnisse über den Klienten in der Organisation zu repräsentieren. Diese Funktion ist allen Beteiligten am Betreuungsprozess innerhalb und außerhalb der Institution bekannt. Auch wenn ein Bezugsbetreuer mehrere Betreute hat, bleibt trotzdem in jedem Fall die Ganzheit der betreuten Person bei der Integration in das System gewahrt, wenn allerdings, wie im zweiten teil des Beispiels dargestellt, ein Betreuter mehrere gleichberechtigte Betreuer hat, wird das Organisationssystem quasi auf den Kopf gestellt, die Integration findet beim Betreuten und nicht
beim Betreuer statt. Die Forderung nach der Eindeutigkeit der Personenverantwortung gilt auch für alle weiteren
Stufen der Organisationshierarchie. Sie lautet in einem kurzen Satz zusammengefaßt: Eine Person hat eine Leitungsperson. Die Aufgabe der Leitungsperson besteht ähnlich wie die des Bezugsbetreuers darin, die persönliche Ressource eines Menschen (hier des Mitarbeiters) in das System zu integrieren. Damit ist der Grundaufbau eines wachsenden oder lernenden Organisationssystems beschrieben. Dabei sei noch mal deutlich hervorgehoben, daß Bezugsbetreuer und Leitungspersonen in ihre Aufgabe jeweils ihre eigene Persönlichkeit, d.h. ihre eigene Ressource einbringen. Sie sind in ihrem Verhalten nicht determiniert durch die Anforderungen der jeweiligen Person, die sie ins System integrieren sollen (auch der „Kunde“ Klient kann dem Betreuer nicht „vorschreiben“, wie er seine Arbeit tun soll bzw. wie er sich einbringen soll. Der Betreuer ist kein Automat). Es werden also nicht etwa Anforderungen von unten nach oben „durchgereicht“, sondern es entsteht zwischen den Personen zweier Ebenen als Ergebnis eines Diskurses jeweils ein Arbeitsergebnis (Produkt), in das die persönlichen Ressourcen beider eingehen. In einer effektiv und rationell arbeitenden Organisation wird der Grundsatz der Eindeutigkeit in der Leitung jeder Ebene realisiert. Sogenannte „Doppelspitzen“, also zwei oder mehrere Leiter, für eine Person führen grundsätzlich zu Störungen mit einem Verlust persönlicher Leitungsverantwortung und mit dem oben beschriebenen Umkehreffekt (s. Abb.).

Zweites Element: Die Leitungsspanne.

Vielfältige Erfahrungen zeigen, daß eine personenorientierte Leitung eine Leitungsspanne von 12 nicht überschreiten sollte. Wenn die Leitungsspanne Personen überschritten wird, wird aus einem personenorientierten Leitungssystem fast zwangsläufig ein administratives System, im Sinne des oben beschriebenen Top-Down- Systems. Das hat einerseits zur Folge, daß die Führungsperson nicht ausreichend Zeit hat, um mit dem einzelnen Mitarbeiter zusammen zu arbeiten und andererseits, dass sie in der Regel damit überfordert ist, mehr als diese Personenzahl mit ihren Individualitäten in das System zu integrieren. Die Führungspersonen der unteren Leitungsebene haben in persönlicher Verantwortung gleichzeitig die Arbeitsteiligkeit des Produkts und die Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter zu integrieren. Diese Aufgabe ist arbeitsintensiv und erwartet eine fachlich hohe Qualifikation, Einfühlungsvermögen für andere Personen, persönliche Unabhängigkeit und Selbstbewußtsein. Für diese wichtigste Leitungsebene ist die Leitung von 12 Mitarbeitern eine Vollzeitbeschäftigung. In sozialen Betrieben sollte die unterste Leitungsebene von Betreuungsaufgaben grundsätzlich freigestellt sein. Eine Vermischung von Bezugsbetreuung und Leitung, wie sie häufig in Heimen anzutreffen ist, führt zwangsläufig zu Problemen und Störungen, da der Leiter in diesem Fall, dadurch daß er neben den anderen auch sich selbst zu leiten hat, nicht als neutrale und unabhängige Person angesehen werden kann. Auf der unteren Leitungsebene eines sozialen Betriebes ist eine Leitungsspanne von ca. 4-6 Personen eine Halbtagsbeschäftigung. Wenn der Leiter trotzdem mit der vollen Arbeitszeit angestellt ist, kommt es ebenfalls zwangsläufig zu Komplikationen, weil er, nur um sich zu beschäftigen, dazu neigt, sich in die Arbeit der Mitarbeiter einzumischen. Auf den nächst höheren hierarchischen Ebenen kann die Leitungsspanne sinken, weil die Führungsaufgabe hier in der Regel mit mehr Außenkontakten und einem entsprechenden Zeitaufwand außer Haus verbunden ist. Für die oberste Leitung gilt, dass eine Leitungsspanne von 4-5 Personen nicht unterschritten werden sollte, da sonst die persönliche Einbindung in den Betrieb nicht mehr ausreichend ist.

Aus der Definition der Leitungsspannen läßt sich errechnen, welche Organisationstiefe eine Institution haben muss:

  • ein Kleinbetrieb mit maximal 12 Mitarbeitern kommt mit einer Leitungsperson aus.
    • ein Betrieb bis ca. 120 Mitarbeitern braucht zwei Leitungsebenen,
    • ein Betrieb in einer Größenordnung von ca. 120 – ca. 1.000 Mitarbeitern braucht drei Leitungsebenen und
    • ein Betrieb von ca. 1.000 – ca. 10.000 Mitarbeitern benötigt 4 Leitungsebenen.

Problematisch für jeden Betrieb ist die Situation, wenn im z.B. im Zuge des Wachstums eine Grenzzahl von Mitarbeitern, also 12, ca. 120, ca. 1.000 überschritten wird. An diesen Marken kommt es fast regelmäßig zu Krisensituationen, weil mit der Neustrukturierung entweder zu lange gewartet wird oder weil die ökonomischen Ressourcen für die Etablierung einer weiteren Hierarchieebene nicht rechtzeitig eingeplant werden.

Drittes Element: Mehrdimensionale Struktur – Matrixstruktur
In jedem sozialen Betrieb gibt es eine mehr oder weniger große Anzahl von Mitarbeitern, die nicht im Sinne einer direkten Personenverantwortung (Bezugsbetreuung usw.) oder Leitungsverantwortung tätig sind. Hierzu zählen die Spezialisten oder Spezialdienste, ebenso wie die Verwaltung und ihre Mitarbeiter. Am Beispiel einer Werkstatt für Behinderte wollen wir die Darstellung der Organisation in Form einer Matrix erörtern (Es läßt sich ebenso auf andere soziale Einrichtungen wie Heime, ambulante Dienste, usw. anwenden, lediglich die Bezeichnungen der Funktionsträger müssen evtl. geändert werden.)

Abb. 7 Beispiel für eine Matrixorganisation der WfbM (Werkstatt für behinderte Menschen)

In der oberen Horizontalen finden wir die Gruppenleiter und für jeweils 10-12 Gruppenleiter einen Abteilungsleiter. Die Aufgabe der jeweiligen Gruppenleiter besteht darin, jeweils 12 behinderte Mitarbeiter zu betreuen und mit ihnen zusammen Waren oder Dienstleistungen zu produzieren. Die Zuständigkeit des Gruppenleiters für „seine“ behinderten Mitarbeiter ist eindeutig. Wird eine bestimmte Ware oder Dienstleistung nur von einer Gruppe hergestellt, ist der Gruppenleiter Ansprechpartner für den externen Auftraggeber. In Bezug auf die Belange der behinderten Mitarbeiter und die Betreuungsplanung ist er Ansprechpartner und Vertragspartner für den behinderten Mitarbeiter selbst, bzw. dessen gesetzlichen Betreuer oder Familienangehörigen. Er plant den gruppeninternen Betreuungs- und Produktionsablauf eigenständig und berichtet darüber regelmäßig seinem Abteilungsleiter. Damit läßt sich in Bezug auf Betreuung der Arbeitsbereich jedes Gruppenleiters von jedem anderen abgrenzen. Die Abteilungsleiter haben die Aufgabe, die Gruppenleiter bei ihrer Betreuungsarbeit beratend zu unterstützen und die Zusammenarbeit der Gruppenleiter in Betreuung und
Warenproduktion zu koordinieren. Wenn bestimmte Waren- oder Dienstleistungen arbeitsteilig zwischen den Gruppen hergestellt werden, ist der Abteilungsleiter der Ansprechpartner für den externen Auftraggeber. Der Abteilungsleiter berichtet dem Geschäftsführer, der im Diagramm in der linken oberen Ecke zu finden ist.
In der Vertikalen, wir nennen sie die Dienstleistungsebene, sind alle Personen, bzw. Aufgabenträger zu finden, die keine umfassende Personenverantwortung bezüglich der Integration behinderter Mitarbeiter haben. Sie haben die Aufgabe, bestimmte Sach- oder Fachleistungen für Personen und Gruppen übergreifend zu erbringen. In dieser Funktion arbeiten sie möglicherweise sowohl mit jedem behinderten Mitarbeiter, als auch mit jedem Gruppenleiter bzw. Abteilungsleiter zusammen. Das gilt z.B. für bestimmte Mitarbeiter in der Verwaltung, z.B. im
Personalwesen oder der Lohnbuchhaltung oder auch für den sozialen Dienst. Die Verwaltung hat Dienstleistungscharakter für die Produktionsebene, also für behinderte Mitarbeiter, Gruppenleiter und Abteilungsleiter. Sie hat keine Vorgesetztenfunktion und kein Eingriffsrecht in die Organisationsabläufe. Von der Verwaltung erstellte Übersichten und Zahlen dienen dazu, die Produktion (als Besonderheit in der WfbM gibt es zwei „Produktionsbereiche“: die Betreuung und die Herstellung von Waren für den Markt, im übrigen Sozialwesen ist es meist nur die Betreuung) transparent und bewertbar zu machen und zwar für jede Verantwortungsebene, vom direkten Produzenten bis zur obersten Leitung. Wenn die Anzahl der Mitarbeiter in der Dienstleistungsebene zusammen mit den Abteilungslei-tern der Produktionsebene die Anzahl 10 überschreitet, ist es erforderlich, auch in diesem Bereich Abteilungsleiter einzuführen, wie es im Beispiel Diagramm dargestellt ist. Das Verhältnis von Dienstleistern und Produzenten entwickelt sich aus der Unabhängigkeit der beteiligten Partner.

Abb. 8 Verhältnis Dienstleister / Produzent

In dieser Beziehung hat der Produzent die Rolle des Auftraggebers und der Dienstleister die Rolle des Anbieters. Es besteht keine Über- oder Unterordnung des einen oder des anderen. Die Aufgabenstellung und die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit sind definiert, jedoch nicht das Produkt. Wir wollen dies am Verhältnis Gruppenleiter – Sozialarbeiter des sozialen Dienstes verdeutlichen: Bei der Betreuung des behinderten Mitarbeiters können sich Aufgaben stellen, die der Gruppenleiter allein nicht lösen kann, sei es, daß ihm dazu die fachliche Kompetenz fehlt oder sei es, dass es aus organisatorischen Gründen nicht möglich ist, z.B. wenn einen Behördenkontakt wahrzunehmen. Für die WfbM besteht die allgemeine Regelung, daß der Gruppenleiter in diesen Fällen an den Sozialarbeiter des sozialen Dienstes wenden kann. Der Sozialarbeiter überprüft, ob er dem Gruppenleiter ein Angebot unterbreiten kann. Wenn dies der Fall ist, einigen sich beide auf ein bestimmtes Vorgehen, demgemäß dann der Sozialarbeiter entweder den Gruppenleiter fachlich berät oder eine bestimmte Aufgabe übernimmt. Während des gesamten Ablaufs bleibt die Fallzuständigkeit beim Gruppenleiter, wenn der Sozialarbeiter eine bestimmte Aufgabe übernommen hat, wird er zum Abschluß der Maßnahme dem Gruppenleiter berichten. Nur wenn die beiden Beteiligten sich nicht einigen können, wird die Hierarchie eingeschaltet. In
diesem Fall berichten beide ihren Abteilungsleitern, die ihrerseits über die Möglichkeit beraten, eine Lösung zu finden. Dabei haben sie unter anderem zu entscheiden, ob die Strukturbedingungen für die Zusammenarbeit ausreichend definiert sind, oder ob einer oder beide beteiligten Mitarbeiter Beratung durch die jeweiligen Leiter benötigen. Die Suche nach einer Lösung beschäftigt auch in diesem Fall nicht das gesamte Leitungsteam, sondern nur die beiden beteiligten Abteilungsleiter. Die Geschäftsführung wird nur dann einbezogen, wenn ein Lösungsweg
außerhalb der Bereiche gefunden werden muß, für die die beiden Abteilungsleiter verantwortlich sind.

Das Leitungsteam in der Matrixorganisation
Das Leitungsteam besteht aus den zwei obersten Leitungsebenen der Organisation, also dem Geschäftsführer, den Abteilungsleitern im Produzentenbereich und den Abteilungsleitern im Dienstleistungsbereich. Das Leitungsteam ist primär kein Entscheidungsgremium. Entscheidungen fällen entweder die Abteilungsleiter allein, sofern diese in ihren Auswirkungen nicht über die Abteilungen hinaus gehen, oder der Geschäftsführer, sofern es mehrere Abteilungen bzw. die ganze Werkstatt betrifft. Die Leitungsrunde ist ein Forum der Diskussion und des Gedankenaustauschs über die Entwicklung des Gesamtbetriebes, nicht mehr und nicht weniger. Das gleiche gilt für alle Teams auf niedrigeren Ebenen der Hierarchie.

Stellvertreter
In der hier entwickelten Organisationsform werden keine Stellvertreter benötigt. Es ist davon auszugehen, dass während er Abwesenheit des Leiters in dem Bereich keine grundlegenden Entscheidungen fallen. Die Praxis zeigt, daß nahezu alle Grundsatzentscheidungen für einen Bereich verschoben werden können, bis der Leiter wieder anwesend ist. Entscheidungen, die nur Teilbereiche betreffen, können während der Abwesenheit von den Verantwortlichen der Teilbereiche selbst getroffen werden. Das gilt auch für den Geschäftsführer, um die notwendigen laufenden Finanztransaktionen während seiner Abwesenheit zu tätigen, reicht eine entsprechende Prokura für ein oder zwei Personen vollkommen aus.

Matrix in der Matrix
Eine Matrix in der Matrix entsteht, wenn eine Abteilung so groß ist, daß sie eigene nur für sie selbst eingesetzte Dienstleister hat. In diesem Fall entsteht eine ähnliche Matrix wie für die WfbM. Allerdings muß wiederum darauf geachtet werden, daß für den Abteilungsleiter die Gesamtleitungsspanne von 12 nicht überschritten wird. Daher gehen in die Entscheidung darüber, ob eine Matrixstruktur auf Abteilungsebene eingeführt ist, immer Überlegungen des betrieblichen Gesamtzuschnitts ein. Auf keinen Fall sollte eine weitere Hierarchieebene eingeführt werden, wenn es von der Gesamtzahl der Mitarbeiter her nicht notwendig ist.

Viertes Element: Leitungsverhalten und Kommunikation Form der Kommunikation
Leitung bedeutet die persönliche Verantwortung für die Integration jedes Mitarbeiters in das Team. Mitarbeiter sind nicht einfach austauschbar oder ersetzbar, ein anderer oder neuer Mitarbeiter bedeutet eine wesentliche Veränderung im Team und im Produkt des Teams. Leitung entsteht nicht durch das Besitzen einer Stelle, sondern sie entsteht aus der kontinuierlichen persönlichen Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Teams. Leitung wird nicht einmal vergeben, sondern sie muss permanent erworben werden. Das Team braucht eine Leitungsperson, weil sonst kein gemeinsames Arbeitsprodukt entsteht. Ohne Führungsperson (bei mehr als vier Teammitgliedern) löst sich das Team auf und die Möglichkeit des jeweiligen individuellen Engagements geht verloren. In der Praxis läßt sich der Auflösungsprozeß durchgängig beobachten, er verläuft in aufeinander folgenden Phasen: In der
ersten Phase kommt es zur Gruppenbildung im Team mit Konflikten zwischen den Gruppen, in der zweiten Phase lösen sich die Gruppenbildungen auf, die Kommunikation der Teammitglieder nimmt ab und alle Mitarbeiter vereinzeln sich. Während des Gesamtverlaufs sinkt die Produktivität kontinuierlich. In der „runden“ Organisation entsteht Leitung und Hierarchie aus der persönlichen Zusammenarbeit des Leiters mit jedem seiner Mitarbeiter. Die Regel heißt, dass der Leiter jedem seiner Mitarbeiter eine Stunde Zeit pro Woche zum persönlichen Gespräch bzw. zur persönlichen Zusammenarbeit zur Verfügung stellt. In dem Gespräch berichtet der Mitarbeiter über seine Arbeit und über persönliche Anliegen. Der Leiter berichtet dem Mitarbeiter über den Stand der Arbeit des Teams in seinem Bereich. Er berät den Mitarbeiter bei Fragen und fachlichen Problemen aus dessen Arbeitsbereich.
Das persönliche Gespräch kann nicht durch eine Teamsitzung ersetzt werden. Durch Planung und Regelmäßigkeit der persönlichen Zusammenarbeit zwischen Leiter und Mitarbeiter wird gewährleistet, dass kein Mitarbeiter „verloren“ geht. Teambesprechungen können dieses nicht gewährleisten. Wenn für den Betrieb und die Einzelbereiche betriebswirtschaftliche und andere Kennzahlen erarbeitet werden, bilden diese eine Grundlage für Gruppen- und Einzelgespräche.

Inhalte der Kommunikation
Das Hauptthema der Besprechungen zwischen den Mitarbeitern im Betreuungsdienst und ihrem Leiter muß die Betreuung des einzelnen Klienten sein. Die Grundlage für die Gespräche sollte die kontinuierlich durchgeführte klientenbezogene Betreuungsplanung und Betreuungsdokumentation sein. Die Erfahrung zeigt, dass Betreuungsplanung überhaupt nur dann regelmäßig erfolgt, wenn sie zum Bestandteil der Zusammenarbeit von Mitarbeitern und Leistung wird. Innerhalb der Betreuungsplanung sollte der Leiter eine aktive Rolle spielen, indem er die Mitverantwortung für die Festlegung von Betreuungszielen und -maßnahmen übernimmt. Der Leiter sorgt dafür, dass die Betreuungsplanung für jeden einzelnen Klienten in regelmäßigen Abständen zum Thema der Besprechung wird. Durch dieses Verfahren sammelt und verarbeitet der Leiter die Erfahrungen mit den Klienten seines gesamten Verantwortungsbereichs und kann diese Erfahrungen an seinen einzelnen Mitarbeiter zurückkoppeln. Thema der höheren Leitungsebenen muß die Verallgemeinerung der fachlichen und organisatorischen Erfahrungen der darunterliegenden Ebenen mit den Ziel sein, die für die Leistungserbringung optimalen Organisationsbedingungen zur Verfügung zu stellen. Als zusätzlicher Schwerpunkt kommt auf der nächsten Leitungsebene die Verbindung zwischen fachlichen und betriebswirtschaftlichen Themen hinzu. Für jede Leitungsebene, auch für die unterste Leitungsebene sollte die mit der Arbeit verbundene finanzielle Wertschöpfung so transparent sein, dass die ökonomischen Ressourcen rationell eingesetzt werden können. Hierfür bieten sich
analog der Betreuungsplanung an der Basis Controllingverfahren an, die über Soll-Ist-Vergleiche objektive Daten für konkrete und strategische Planungen zur Verfügung stellen. Diese Verfahrensweise macht eine Kontrollorganisation wie bei der beschriebenen „quadratischen“ Organisationsform überflüssig. Die Bewertung der Arbeit und des Arbeitsergebnisses erfolgt durch die Produzenten selbst. Dies gilt sowohl für die Qualität als auch für die Wirtschaftlichkeit der Arbeit. Die zunehmende Individualisierung sozialer Arbeit erfordert auch von den Verantwortlichen auf höheren Leitungsebenen die Kenntnis von Einzelfällen. Jeder Leiter auf jeder Ebene der Organisation sollte in der Lage sein, anhand einzelner Fälle und ihres Betreuungsverlaufs die
Philosophie und die konkrete Arbeit der Einrichtung darzustellen. Die notwendigen Informationen sollte er sich direkt von einem oder mehreren Bezugsbetreuern holen, ohne dabei jedoch in die Führungskompetenz des zuständigen Leiters einzugreifen (er ist nichts anderes als ein „interessierter Gast“). Mit einem solchen Vorgehen drückt er einerseits Wertschätzung für die Tätigkeit der Mitarbeiter im Betreuungsdienst aus, andererseits kann er die Leistung seiner Einrichtung gegenüber Außenstehenden nicht nur über abstrakte Zahlen sondern über ein konkretes und zeitgemäßes Produkt darstellen.

Fünftes Element: Die Einheit von wirtschaftlicher und fachlicher Verantwortung

Soziale Arbeit bedeutet ökonomische Wertschöpfung. Es gibt heute kaum noch ehrenamtliche Mitarbeiter in sozialen Einrichtung. Die Menschen arbeiten in dem Bewußtsein in der Einrichtung, daß sie mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Gleichzeitig steht für die betreuten Menschen nur eine begrenzte von der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte Ressource zur Verfügung. Bei jeder sozialen Tätigkeit läuft deshalb eine „Geldrechenmaschine“ mit, eine Trennung von Ökonomie und „Fachlichkeit“ gibt es nicht mehr. Eine moderne Organisation muss beides systematisch und transparent miteinander in Beziehung setzen, weder sollten Betreuungsfachleute von ökonomischen noch betriebswirtschaftliche Fachleute von inhaltlichen fragen der
Betreuung „entlastet“ werden. Erst recht nicht sollten in den höheren Leitungsebenen Entscheidungen zwischen zwei Verantwortungsträgern, z.B. „pädagogischem Geschäftsführer“ und „betriebswirtschaftlichem Geschäftsführer“, verhandelt werden müssen. Die Eindeutigkeit in der Personenverantwortung würde verloren gehen und das Grundprinzip der „runden Organisation“ von oben her aufgehoben. An der Spitze der Organisation muss eine Person stehen die wirtschaftliche und inhaltlich fachliche Verantwortung in sich vereint.

  1. Probleme bei der Umstrukturierung eines Top-Down-Systems in ein Bottom-to-top-System
    Grundsätzlich hängt die Möglichkeit eines Erfolges bei der Umstrukturierung eines sozialen Betriebes von der administrativen Top-Down- Organisation in eine am Produkt orientierte Bottom-to-top- Organisation vom Beschluß und von der Bereitschaft der obersten Leitungen ab, diese radikale Änderung wirklich zu realisieren. Wenn diese konsequente Haltung der obersten Leitung besteht, muß die Mitarbeiterschaft von der Basis her für die Umwandlung gewonnen werden. Die Umwandlung erfordert dann eine Änderung der Einstellungen des Verhaltens auf jeder Ebene der Organisation. Sie stellt gleichzeitig neue fachliche Anforderungen an alle Beteiligten, d.h. alle Personen in der Organisation müssen dazu lernen und für die veränderten Aufgaben
    qualifiziert werden. Viele Projekte scheiterten oder geraten ins stocken, weil sie zunächst als Pilotprojekt an der Peripherie der Gesamtorganisation getestet werden sollen. Solche Projekte sind grundsätzlich zum Scheitern verurteilt, wenn nicht von vornherein die Verwaltungs- und Kontrollorganisation einbezogen wird. Gerade bei guten und motivierten Mitarbeitern führt das notwendige Scheitern zur Demotivierung, so daß man nicht auf sie setzen kann, wenn die Strukturumwandlung endgültig erfolgen soll.