Systemisch-ressourcenorientierte
Betreuungsarbeit und Betreuungsplanung

In der Betreuung von Menschen mit
– psychotischem Erleben
– geistiger Behinderung
– Entwurzelung/Strukturbedarf

defghij


Inhalt

• Ressourcenorientierung vs. Defektorientierung
• Axiome der Betreuungsarbeit
• Der Betreute als konkretes Individuum in einer konkreten Umwelt
• Die Ursprungsfamilie
• Was braucht der Betreute von uns ? Drei grundlegende Settingtypen.
• Die Betreuung sogenannter „geistig behinderter Menschen“ und „hirnorganisch geschädigter Menschen
• Die Betreuung von Menschen mit sog „psychischer Behinderung“
• Die Betreuung sogenannter „Entwurzelter, strukturabsorbierender Menschen“
• Inhalte systemisch-ressourcenorientierter Betreuungsplanung

• Krisenmanagement
• Ressourcenbereiche
• Hinweise für das Führen von Familiengesprächen

Hinweis:
Betreuungsplanung und Betreuungsarbeit ist die Arbeit eines konkreten Menschen für einen konkreten Menschen. Sie geschieht im persönlichen Verantwortungsbereich der Person die die Maßnahme durchführt. Diese Verantwortung ist nicht delegierbar, auch nicht an Spezialisten oder Fachleute. Die Umsetzung und Anwendung der im folgenden Text gegebenen Hinweise geschieht so auf eigene Verantwortung.

Systemischressourcenorientierte Betreuungsarbeit

Was bedeutet hier ressourcenorientiert?

Im sozialen Bereich lassen sich zwei grundsätzliche Heuristiken bzw. Herangehensweisen unterscheiden:

Das pädagogische Modell der Förderung individueller Ressourcen
Das medizinischtherapeutische Modell der Eliminierung von Krankheit

Das medizinischtherapeutische Modell der Eliminierung von Krankheit

Das „medizinische“ Grundverständnis von „Heilen“ als Prozess besteht seit dem Altertum in der Beseitigung von (körperlichen) Defekten. Gesund kann verstanden werden als defektfreier Grundzustand, als normal, als Norm, als gottgegebene natürliche bzw. gesellschaftliche Norm. Krank oder „Defekt“ ist etwas, was sich von der naturgegebenen Form entfernt hat, bzw. etwas das nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht. „Heilen“ besteht in der Beseitigung von Defekten.

Wie läßt sich das veranschaulichen?

Gewöhnlich wird ein Bandscheibendefekt durch einen operativen Eingriff behoben. Der Eingriff zielt darauf ab, mittels einer mechanischen Manipulation den körperlichen Zustand „defekte Bandscheibe“ wieder in den „Normbereich“ zu überführen, was bedeutet: „unauffällige, bzw. gesunde Bandscheibe“. De facto kann dieses Ziel nicht erreicht werden, weshalb man sich in der Regel mit einer Annäherung an die Norm begnügt. Dieses Grundverständnis von „Heilung“ als Beseitigung von Krankheit (im medizinischen Modell letztlich stets körperliche Defektzustände) und „Gesundheit“ als Abwesenheit von (körperlichen) Defekten bildet sich in sämtlichen Tätigkeitsfeldern (medizinische, psychologische, therapeutische) wieder, die mit „heilen“ in Verbindung stehen. Es findet sich wieder in:

Diagnostik
Therapie
Entstehungsmodellen von Krankheit
Finanzierung des Weges von Gesundheit zu Krankheit
Bewertung von Qualität der Arbeit

Noch einmal zusammengefaßt die hauptsächlichen Probleme dieses Ansatzes:

Grundlagen des defektorientierten Modells, z.B. medizinisches Modell:

1. Im Zentrum der „Behand lung“ steht die Beseitigung des in aller Regel körperlichen Defektes (auch bei Neurosen und Psychosen).
2. Ziel ist der Bereich der Norm, der aber nicht klar definierbar ist und gesellschaftlichem Wandel und subjektiver Bewertung unterliegt.
3. Das Behandlungsziel ein Wiederherstellen der Norm ist hypothetisch und kann nicht erreicht werden.
4. Da das Behandlungsergebnis nicht dem eigentlichen Behandlungsziel entspricht, kann darin auch nicht der Erfolg oder die Qualität der Arbeit bemessen oder bewertet werden. Qualität wird häufig bemessen am betriebenen Aufwand:

je teurer die verwendete „Maschine“ desto höher die Qualität
je aufwendiger das Verfahren desto höher die Qualität
je moderner die Apparatur und das Verfahren desto höher die Qualität
je höher der „Status“ der Personen, die die Reparatur durchführen, desto höher die Qualität

Folgen des Ansatzes:

Kostenexplosion im Gesundheitswesen.
Moderne Methoden werden höher bewertet als bewährte Methoden
Sparen an, gemessen am System irrelevanten Kostenfaktoren, z.B. an Rehabilitation oder Prävention.
Je höher die Auslastung der technischen Apparatur, desto geringer der Preis der einzelnen Reparatur. Daraus folgt: Zeitaufwendung pro Einzelfall minimieren.

Grundlagen der Ressourcenorientierung:

Darstellbar am Beispiel einer rehabilitativen Maßnahme.

Das Grundverständnis in der Rehabilitation besteht darin, bei den aktuellen Fähigkeiten des Klienten (z.B. nach erfolgter „medizinischer Heilung“ anzusetze n) und sie auf einen Stand zu bringen, daß der Klient seinen individuellen Lebensalltag wiederaufnehmen kann. Mit der rehabilitativen Maßnahme geht eine Weiterentwicklung der aktuellen Fähigkeiten unter Berücksichtigung von „irreparablen Behinderungen“ des Klienten einher. Diese Weiterentwicklung greift bisherige Entwicklungsprozesse in den aktuellen Fähigkeiten des
Klienten auf und führt sie fort. Rehabilitative Maßnahmen verfolgen konkrete Ziele im Möglichkeitsbereich der Person.

Die verwendeten Methoden und die gewählten Maßnahmen orientieren sich z.B.:

an den speziellen Wünschen und Zielen des Menschen(z.B. wieder arbeiten gehen wollen)
an seiner bisherigen Entwicklung(z.B. Bürotätigkeit, angespanntes Sitzen auf Standardbürostühlen)
an möglichen Zielen auf Grundlage seiner bisherigen Entwicklung(2h aufrecht sitzen können auf orthopädisch optimalem Stuhl)
an seinen aktuellen Fähigkeiten(15 min aufrecht sitzen können, auf Standardbürostuhl)
an einer möglichst individuelloptimal gestalteten Lebensumwelt(orthopädischer Stuhl, streßarme Umgebung)

Dieses Grundverständnis von ressourcenorientierter Arbeit findet sich in:

Entwicklungsbericht(medizinisch: Diagnostik)
Training(medizinisch: Therapie)
Entwicklungsmodelle(medizinisch: Entstehungsmodelle von Krankheit)
Finanzierung der Rehabilitation(medizinisch: Finanzierung des Weges von Gesundheit zu Krankheit
Bewertung von Qualität der Arbeit

Noch einmal zusammengefaßt die Grundlagen der Ansätze:

Grundlagen des ressourcenorientierten Modells verglichen mit dem defektorientierten Modell:

1. 0 kann als Zustand der Abwesenheit jeglicher Ressource praktisch nicht eintreten, da Ressourcen immer vorhanden sind.
0 ist das Ziel, ist der Bereich der Norm, der aber nicht klar definierbar ist, hypothetisch bleibt und gesellschaftlichem Wandel und subjektiver Bewertung unterliegt.(Bilder aus Werbeclips).

2. Angesetzt wird an der aktuellen und individuellen Person und ihren spezifischen Fähigkeiten (Ressourcen) bezogen auf die Anforderungen einer konkreten individuellen Umwelt. Der Klient wird als einzigartiges Individuum gesehen. Gearbeitet wird jeweils am „Unikat“ und im Einzelfall.
Angesetzt wird an einem primär körperlichen und sekundär psychischen, normierten Defektzustand. Er wird beseitigt mit standardisierten wissenschaftlichen Methoden(wissenschaftlich = über alle Einzelfälle hinweg Gültigkeit beanspruchend). „Umwelt“ wird maximal als verursachende Größe gesehen und braucht nicht abgebildet zu werden.

3. Aus der aktuellen Ressource wird unter Einbezug zusätzlicher hilfreicher Ressourcen des Klienten versucht, mit dem zur Verfügung stehenden Mitteln ein realisierbares Ziel bezogen auf konkrete Umweltanforderungen zu erreichen. Qualität bedeutet hier auch Ökonomie, d.h. die zur Verfügung stehenden Mittel bezogen auf Ist, Zielzustand und gewählte Maßnahmen sollen vollständig ausgeschöpft werden.
Im Zentrum der Intervention steht die Beseitigung des in aller Regel körperlichen Defektes (auch bei Neurosen und Psychosen). Je größer der betriebene Aufwand desto hochwertiger gilt die Arbeitsqualität. Ökonomie bedeutet zunächst einmal verminderte Qualität.

4. Das Ergebnis liegt immer in einem positiv darstellbaren Bereich
Das Behandlungsziel ein Wiederherstellen der Norm ist hypothetisch und kann nicht erreicht werden. Es liegt im negativen Bereich, unterhalb der Norm. Im Idealfall entspricht es „nothing happened“.

5. Das Ziel wird nach pragmatischen Gesichtspunkten und nach den Erfordernissen des individuellen Lebensalltages des Klienten festgelegt. Das Ergebnis liegt immer im positiven Bereich und ist klar formulierbar.
Das Ziel wird nach theoretischen, methodischen, und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten festgelegt. Trotz des z.T. immensen Aufwandes bleibt es hinter der Norm zurück.

6. Mit der Arbeit geht eine Entwicklung des Klienten einher. Die Entwicklung ist stets positiv darstellbar.
Entwicklung findet in Bezug auf eine vorangegangene Fehlentwicklung statt, die Rückgängig zu machen ist bzw. deren Folgen zu beseitigen sind. Entwicklung vollzieht sich im „negativen“ Bereich. Entwicklung an sich ist eine Verzögerung des Verschwindens des Defektzustandes.

7. Bemessung der Qualität der Arbeit ist an verschiedensten Aspekten der tatsächlichen Arbeit möglich, z.B. an der :

Optimierung des KostenNutzenVerhältnisses.
Tatsächlichen Zeitaufwendung unter Berücksichtigung des KNVerhältnisses.
Unabhängigkeit des Klienten nach der Intervention
Entwicklung, die sich vollzogen hat durch die Intervention

Da das Behandlungsergebnis nicht dem eigentlichen Behandlungsziel entspricht, kann darin auch nicht zwangsläufig der Erfolg oder die Qualität der Arbeit bemessen werden. Qualität wird häufig bemessen am betriebenen Aufwand:

je teurer die verwendete „Maschine“ desto höher die Qualität
je aufwendiger das Verfahren desto höher die Qualität
je moderner die verwendete Apparatur und das gewählte Verfahren desto höher die Qualität
je höher der „Status“ der Person, die die Reparatur durchführt desto höher die Qualität

Beispiel:
Defektbeseitigung vs. Ressourcenorientierung in Rehabilitation und Betreuungsarbeit:

Ursprünglich war das Basismodell für Betreuungsarbeit rein medizinisch pflegerisch. Die Medizin repariert Reparierbares, die Pflege kompensiert Nichtreparierbares. Dies hat sich inzwischen geändert. Einer der Hintergründe dieser Änderung von medizinischpflegerischer Betreuungsarbeit zu ressourcenorientierter Betreuungsarbeit läßt sich aus einem Wandel des Menschenbildes in der Gesellschaft sehen, die sich auch in einem Wandel des BSHG niederschlagen. Auf wissenschaftlicher Seite war ein sog. Paradigmenwechsel vorangegangen, der von der Physik (Kernphysik) initiiert worden war. Hier fand ein Wechsel des „kopernikanischen Weltbildes“ (Materie ist eine feste Größe, die beobachteten Abläufe unterliegen festen
Gesetzmäßigkeiten UrsacheWirkungsZusammenhänge, sog. Kausalitäten) zum systemischen Paradigma statt. Dieser Wechsel hat sich in den Sozialwissenschaften und in der Organisationsform wichtiger Strukturen innerhalb der Gesellschaft noch nicht vollzogen. Die „Rückbindungskräfte“ (Angst vor Machtverlust der Machtinhaber) sind hier noch ungebrochen.

Das BSHG

Das BSHG bildet den gesetzlichen Rahmen für die Betreuungsarbeit. Hier fand ein sog. Paradigmenwechsel“ statt. In den 50er Jahren war es noch die Maxime, die Gruppe der behinderten Menschen (Kranke, Defekte, Verrückte) an die „Gruppennorm“ (Gesunde, Normale) anzupassen. Die Folge war, daß einzelne individuelle Entwicklungen nur innerhalb der Gruppennorm stattfinden konnten. Entwicklungen außerhalb der Gruppennorm wurden sanktioniert. Die „Gruppe“ war der Maßstab für das Individuum. Betreuungsarbeit war Pflegearbeit. In den 70er Jahren wurde im BSHG die Maxime formuliert, daß das Ziel der Arbeit mit
behinderten Menschen, die Wiedereingliederung in den gesellschaftlichen „Wertschöpfungsprozess“ sei, mit den jeweiligen, dem einzelnen Behinderten zur Verfügung stehenden Fähigkeiten und Möglichkeiten. Die Maßnahmen der Behindertenhilfe und die Betreuung sind auf dieses Ziel hin abzustimmen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit in der Betreuungsarbeit zur „Orientierung am Einzelfall“, d.h. der individuellen Arbeit mit dem individuellen Menschen, auf Grundlage des Verstehens, Beschreibens und Einbeziehens seiner individuellen Fähigkeiten, seiner Individualität und Gesamtpersönlichkeit bezogen auf die gesellschaftliche Umwelt.
Der aktuelle Trend zur Bemessung der Vergütung für die Betreuungsarbeit anhand der „Qualität“ (Effizienz) der mit dem einzelnen Menschen geleisteten Arbeit, hat nicht nur ökonomische Hintergründe sondern ist auch als Folge dieses „Paradigmenwechsels zu sehen.

Axiome der Betreuungsarbeit:

(Betreuungsarbeit: Mischmodell aus Defekt und Ressourcenorientierung. Der Schwerpunkt liegt bei Ressourcenorientierung)

Realisieren der gesetzlichen Vorgaben des BSHG

Ziel der Arbeit ist die Teilnahme des individuellen Klienten am gesellschaftlichen Wertschöpfungsprozess.

Einzelne Inhalte:

1. Den Klienten da abholen, wo er steht:

Medizinischen Status des Körpers klären und Defekte so weit kompensieren, daß mit dem Klienten gearbeitet werden kann.
Den Klienten als individuellen Menschen versuchen zu verstehen und versuchen, ihn differenziert und in alltagsbezogen Themen zu beschreiben.

2. Lebensalltag realisieren

Mögliche Krisen einplanen und sinnvolle Reaktionen auf die Krisen planen
Den passenden Bezugsbetreuer (als Partner und Verantwortlicher) beauftragen
Individuell optimale soziale und materielle Umwelten und Tagesabläufe anbieten und an einer weiteren Optimierung der „Passung: MenschUmwelt“ arbeiten
Versuchen, Eigenständigkeit und Individualität zu erhalten bzw. zu fördern

3. Betreuungsziele realisieren, die sich orientieren an

den speziellen Wünschen und Zielen des Menschen
seiner bisherigen Entwicklung
möglichen Zielen auf Grundlage seiner bisherigen Entwicklung
seinen aktuellen Fähigkeiten
einer möglichst optimalen individuellen Lebensumwelt (materiell wie sozial)
Persönlichkeit und Besonderheiten des Menschen.

Der Betreute als konkretes Individuum in einer konkreten Umwelt

Grundlage ist das„Verstehen und Beschreiben des aktuellen Klienten als individuellen Menschen, auf Grundlage einer individuellen Entwicklung in konkreten Umwelten. Erfahrung existiert nicht an und für sich, sondern immer bezogen auf einen Kontext (Umwelt), in dem die Erfahrung gemacht wird, bzw. gemacht worden ist. Die folgenden Punkte lassen sich allgemein oder bezogen auf einzelne Lebensbereiche (Arten von Umwelten) beantworten.

In welcher Realität lebt der Klient?:

Woher kommt er:

Welche Entwicklung hat er hinter sich?
Welche Erfahrungen hat er in welchen Kontexten gemacht? Wo bestanden Schwierigkeiten/Auffälligkeiten/Besonderheiten?
Aus welchen Ursprungsumwelten kommt er?
Wie sind die Ursprungsumwelten beschaffen?
Welche Erfahrungen haben ihm wichtige Bezugspersonen vermittelt?

Wo steht er?

• Was ist ihm wie bedeutungsvoll in alltäglichen Inhalten und Gegebenheiten? In Kontakten und Beziehungen?
Wie differenziert kann er denken, fühlen und wahrnehmen?
Spricht er eine eigene (private) Sprache?
Wie sieht der Klient sich selbst?
Wie ist er gewohnt, daß andere ihn sehen?
Wie ist sein Erscheinungsbild? Wie wirkt er auf andere?

Wohin will er?

Was ist ihm wichtig für seine Zukunft?
Wohin will er und wohin will er nicht?
Wohin kann er und wohin nicht?

Was kann er (Ressourcen)

Worin ist er/sie besonders gut?
Womit hebt er/sie sich von anderen ab?
Was hat er/sie besonders drauf?
Welche Talente/Fähigkeiten (erworben oder ererbt) hat er sie?
Welche Vorlieben/Interessen bestehen?
Welche Neigungen/Abneigungen bestehen?
Was davon ist als spezielles Familienthema gewichtet?
Was davon ist mit speziellen oder globalen Familienaufträgen besetzt?

Was braucht er von uns in der Betreuung?

Was erwartet er von uns?
Was braucht er von uns?
Was sieht er in uns?
Welche Qualitäten muß der Bezugsbetreuer haben?
• Welches Geschlecht muß der Bezugsbetreuer haben?
• Worauf wird das Team achten müssen?

Welchen Besonderheiten/Auffälligkeiten gilt es Rechnung zu tragen?

Welche Besonderheiten müssen wie berücksichtigt werden?
Welche Auffälligkeiten gilt es zu beachten und wie ist darauf zu reagieren?
Welchen Krisen und Krisenverläufe gilt es Rechnung zu tragen und wie kann man Krisen vermeiden?

Welche Umwelten braucht er (materielle wie soziale):

Welche Umwelten ist er gewohnt?
Was braucht er an sozialer Kontinuität in seiner Umwelt und wie reagiert er darauf?
Was braucht er an materieller Kontinuität in seiner Umwelt und wie reagiert er darauf?
Was ist besonders bedeutungsvoll?
Wo liegen Schwierigkeiten/Abneigungen?

Folgende Umweltbereiche/Lebensbereiche (Aufgabenfelder des Lebensalltags):können unterschieden werden:

Lebensbereich: Wohnen, (Seßhaftigkeit vs. Mobilität)
Lebensbereich: Schulausbildung, Berufsausbildung
Lebensbereich: Arbeit/Beruf
Lebensbereich: Interessen, Hobbys, Freizeitbeschäftigungen,
Lebensbereich: Selbstbild, Statuserwartungen
Lebensbereich: Kleidung
Lebensbereich: Sexualität
Lebensbereich: Primäre Bezugspersonen, eigene Familie, Kinder
Lebensbereich: Partnerschaftliche Beziehungen
Lebensbereich: Freundschaften, freundschaftliche Beziehungen
Lebensbereich: Gestaltung des Tagesablaufs,
Lebensbereich: Geld, Besitz und Umgang damit.

Zentrale Aufgabenstellung und Fragestellung:

Wie kann das bisher Verstandene und Beschriebene mit dem Betreuungsalltag und dem Prozess der Betreuung verzahnt werden.

Die Ursprungsfamilie

Zum weitergehenden Verständnis des Menschen: Sein Ursprung und seine erste zentrale Umwelt:

Familiäre Themen in obigen Lebensbereichen:

Welche Ressourcen/Fähigkeiten/Talente/Potentiale stecken in der Familie?
Gibt es geschlechtsbezogene Ressourcen/Fähigkeiten/Talente/Potentiale in der Familie?
Wie wirken sich familiäre Ressourcen oder geschlechtsbezogene familiäre Ressourcen auf die Lebensgestaltung in obigen Lebensbereichen/auf die Betreuungsarbeit/auf die Krisenprävention aus?
Gibt es spezielle Familienaufträge?
Gibt es geschlechtsspezifische Familienaufträge?
Wie wirken sich Familienaufträge und geschlechtsspezifische Familienaufträge auf die Lebensgestaltung in obigen Lebensbereichen/auf die Betreuungsarbeit/auf die Krisenprävention aus?
Welche spezielle Identität hat die Familie?
Gibt es geschlechtsbezogene Identitäten?
Gibt es widersprüchliche Identitäten und sind diese geschlechtsbezogen?
Wie wirken sich spezielle Identitäten der Familie, widersprüchliche und geschlechtsbezogene familiäre Identitäten auf die Lebensgestaltung in obigen Lebensbereichen/auf die Betreuungsarbeit/auf die Krisenprävention aus?

Familiäre Konflikte:

Welche Familienkonflikte bestehen?
Gibt es geschlechtsbezogene Familienkonflikte?
Wie wirken sich Familienkonflikte bzw. geschlechtsbezogene Familienkonflikte auf die Lebensgestaltung in obigen Lebensbereichen/auf die Betreuungsarbeit/auf die Krisenprävention aus?

Familiäre Geheimnisse:

Gibt es Familiengeheimnisse?
Gibt es geschlechtsbezogene Familiengeheimnisse?
Wie wirken sich familiäre Geheimnisse bzw. geschlechtsbezogene familiäre Geheimnisse auf die Lebensgestaltung in obigen Lebensbereichen/auf die Betreuungsarbeit/auf die Krisenprävention aus?

Pflegefamilie analog dazu

Was braucht der Betreute von uns?

Schwerpunkte für die Betreuungsrahmenplanung: Drei grundlegende SettingTypen in der Betreuungsarbeit

Die Variationsmöglichkeiten einer „idealen Passung“ zwischen Klient und betreuender Umwelt sind groß. Analysiert man die Ursachen von Krisenverläufen, analysiert man „krisenarme Betreuungssettings“ und leitet daraus Übereinstimmungen und Muster ab, lassen sich verschiedene Rahmentypen von Betreuungssettings formulieren, die sich an grundlegenden strukturellen Bedürfnissen unterschiedlicher Klienten orientieren.
Vereinfacht lassen sie sich auf drei Betreuungssettingdesigns reduzieren, die ihrerseits wieder in Untergruppen differenziert werden können. Die Übergänge zwischen den einzelnen Gruppen sind fließend. Zuordnungen von Klienten zu Gruppen können nicht statisch erfolgen, da manche Klienten zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Betreuungsrahmendesigns brauchen können.

Es lassen sich unterscheiden:

Designs zur Betreuung entwurzelter Menschen: eindeutige Struktur und Orientierung geben
Designs zur Betreuung psychotischer Menschen: Doppelthemen organisieren helfen
Designs zur Betreuung geistig behinderter Menschen: Komplexität verarbeitbar halten

Hinweise zu den Typen von Betreuungssettings/Betreuungsrahmenkategorien

Ziel ist es eine vorläufige Zuweisung zu der zu erwartenden Art der Passung zwischen dem zukünftigen Bewohner/Beschäftigten und der betreuenden Umwelt in Form der Wahl des Betreuungsrahmenkategorie bzw. Betreuungssettings treffen zu können. Betreuungsarbeit steht in dem Dilemma, einerseits wirtschaftlich begrenzt zu werden (Arbeit mit oft geringem Spielraum bez. Kosten und Aufwand) und möglichst ökonomisch arbeiten zu müssen (Institutionsperspektive) und trotzdem andererseits jedem einzelnen Bewohner/ Beschäftigten in seiner Besonderheit und Individualität gerecht werden zu müssen (Personenperspektive). Ratsam ist es daher, die Passung: PersonUmwelt von Anfang an optimal zu gestalten, möglichst schon bevor der Klient in die Einrichtung kommt. Das hilft einerseits, Kosten und Aufwand zu sparen, andererseits können dem betreuten Menschen von Anfang an auf ihn optimal zugeschnittene Lebensräume im Tagesverlauf ( Bereichen Wohnen und Beschäftigung) angeboten werden.

Mögliche Grobkategorien einer Passung zwischen Betreutem und betreuender Umwelt können zugeschnitten sein auf das Klientel:

1. „Geistig behinderte Menschen, Menschen mit hirnorganischem Defekt
2. „Menschen mit psychotischen Erlebniswelten im Sinne zweier, in der Persönlichkeit angelegter, sich gegenseitig ausschließender Muster für Mensch-Umwelt-Beziehungen, d.h. sogenannte „psychisch behinderte Mens chen“
3. „Strukturabsorbierende, bzw. entwurzelte Menschen“ mit besonderem Bedürfnis nach einer klaren und tragfähigen Beziehung zu einer primären Bezugsperson

Erschwert wird die Zuordnung einzelner Personen zu Klientengruppen durch verschiedene Faktoren:

Die gestellten Diagnosen betreffen in der Regel das klinische Symptombild, das der fachärztlichen oder psychologischen Begutachtung zu Grunde lag. Geistig behinderte Menschen oder Menschen mit hirnorganischen Schäden, „entwurzelte Menschen“ oder Menschen mit einer psychotischen Doppelstruktur können in verschiedenen Lebenssituationen mit unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen zeitweise ein durchaus ähnliches klinisches Symptombild zeigen, das dann z.B. als „paranoide Psychose“, „Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis“…. kategorisiert wird. In der Betreuung aber brauchen sie jeweils völlig verschiedene und ganz spezifische Umweltbedingungen und Hilfestellungen, die sich nicht schlüssig aus ihrer klinischen Diagnose ableiten lassen.

Das Fachpersonal, das die Informationen liefert, die z.B. bei einer Aufnahmeentscheidung vorliegen, hat in der Regel wenig Zeit und reduziert die Beschreibung des Menschen oft auf gängige Standardbeschreibungen, Floskeln, oder Standardbewertungen, deren Hintergrund in der Regel klinische Symptombilder sind. Teilweise werden Formulierungen auch aus früheren Berichten übernommen und sind nicht mehr aktuell. Sichtweise und Sprachgebrauch in der Betreuung sind meist defizitorientiert. Beschrieben wird, was der Mensch nicht kann, wo seine Schwächen und negativen Auffälligkeiten liegen. Die Ressourcen des Menschen und seine individuellen Fähigkeiten und Eigenarten kommen, wenn überhaupt oft nur am Rande bzw. indirekt und auf die Defekte bezogen, zur Sprache.

Vielfach hat sich noch niemand detailliert für die Lebensgeschichte oder Entwicklungsgeschichte des aufzunehmenden Menschen interessiert bzw. die Mühe gemacht, differenzierte Berichte zu verfassen, so daß die Informationen oft lückenhaft oder fehlerhaft sind. Teilweis e „versanden“ Informationen in den Einrichtungen und werden nicht weitergegeben.

Einrichtungen, die schwierige Bewohner „loswerden“ wollen haben in der Regel kein eigenes Interesse, die aufgetretenen Schwierigkeiten und Probleme, die ja letztlich zur Notwendigkeit geführt haben, den Bewohner abzugeben, der neuen Einrichtung mitzuteilen. Beschreibungen von Krisenverläufen sind daher oft lückenhaft und manchmal geschönt. Es werden auch fremdgefährdende Verhaltensweisen verharmlost oder ganz verschwiegen. Teilweise trifft dies auch auf Klienten zu, die von Berufsbetreuern bzw. gesetzlichen Betreuern überstellt werden.

Besonderheiten der einzelnen KlientelBetreuungsrahmenkategorien:

1.0 Der Betreuungsrahmen sogenannter „geistig behinderter Menschen“ (auch „hirnorganisch geschädigter Menschen)

Dazu lassen sich zählen:

Menschen mit geistiger Behinderung, Hirnschäden, Erbdefekten seit Geburt oder Kindheit,
Menschen die schon in der Ursprungsfamilie hospitalisiert wurden
Menschen mit ausgeprägter hirnorganischer Schädigung im Erwachsenenalter (siehe unten)

Besonderheiten bei der Aufnahme:

Je nach Art und Schwere der Behinderung und vorangegangener Förderung oder Rehabilitation sind basale Fähigkeiten in der Kommunikation, im lebenspraktischen Bereich, im sozialen Bereich und im Bereich von Beschäftigung/ Arbeit mehr oder weniger vorhanden. Es muss davon ausgegangen werden, daß bei Menschen dieser Klientengruppe ein erhöhtes Bedürfnis nach Orientierung, Strukturierung, Klärung und Vereinfachung des
Lebensalltages und wichtiger Beziehungen besteht.

Typische gestellte Diagnosen:

Bei geistiger Behinderung:
Minderbegabung, Entwicklungsverzögerungen, alte Diagnose: „nicht bildbar“, schwer bildbar“, Minderbegabung mit „Pfropfschizophrenie“.

Bei hirnorganischem Defekt im Erwachsenenalter:
Meist klare Diagnosen bez. der Teilleistungsausfälle, z.B. Korsakoff Syndrom, Defektzustand nach z.B. Schizophrenie, Residualzustand nach z.B. paranoid halluzinatorischer Psychose, hirnorganischer Defektzustand nach z.B. Medikamentenabusus, Alkoholabusus, Schlaganfall, etc…., Aphasien, Akalkulien, geschädigtes Kurzzeitgedächtnis,

Erscheinungsform in der Betreuung/typische Symptome:

Z.B.: Klienten dieser Gruppe können vom aktuellen Stand der Selbständigkeit und Entwicklung in Teilbereichen oft sehr unterschiedlich sein. Das jeweilige Potential an Fähigkeiten ohne externe Hilfestellung läßt sich anhand von Analogieschlüssen zu kindlichen Alterstufen abbilden und ist in der Regel (z.T. auch bei hirnorganisch geschädigten Menschen) ohne externe Hilfestellung vorpubertär, auch wenn innere Reifeprozesse und das Lebensalter fortgeschrittener sind. Menschen dieses Klientels sind oft anfällig für Überforderungen. Die Entwicklung zu mehr Selbständigkeit und Unabhängigkeit von der Betreuung ist oft abhängig von einer tragfähigen und engen Anbindung an eine oder wenige betreuende Personen. Rituale helfen oft den Alltag zu vereinfachen. Sie können durchaus Ausdruck der Besonderheit des Menschen sein. Es bestehen teilweise eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten und teilweise eingeschränkte feinmotorische Fähigkeiten.

Zusätzlich bei hirnorganisch Geschädigten:
Z.B. Konzentrationsschwierigkeiten, Aggressivität bei Überforderung, spontane Aggressivität ohne Auslöser, rasche Ermüdung, labiler Affekt, sozial teilweise unangepaßtes Verhalten.

Typisches im Lebenslauf geistig behinderter Menschen:

Entwicklungsverzögerungen sind schon im früheren Kindesalter je nach Grad der Behinderung beobachtet worden.
Auffälligkeiten schon im Kindergarten oder in der Grundschule. Manchmal auf Druck der Eltern aber in der Schule weiter mitgezogen worden
Oft Klassenwiederholungen, Sonderschulbesuch
Die Entwicklung bleibt zumindest in Teilbereichen im „kindlichen Leistungsbereich“ stecken. Der aktuelle Entwicklungsstand läßt sich als „Entwicklungsalter oder Fähigkeitsalter“ ausdrücken.
Erreichte Entwicklungsschritte sind vom Grad der Behinderung und von Art und Weise der erfolgten externen Hilfestellungen bzw. Förderungen abhängig.

Z.B. Typische Lebensläufe bei Hirnschädigungen im Erwachsenenalter

In der Regel unspezifische Lebensläufe:
Z.B.:

Frühe Kindheit bei der Ursprungsfamilie ohne Auffälligkeiten.
Spätere Kindheit bei der Ursprungsfamilie ohne Auffälligkeiten.
Kindergarten
Schule, Hochschule oder Schule, Lehre, Beruf
Berufstätigkeit
Feste Beziehungen
Gründen einer eigenen Familie,
Festlegungen in unterschiedlichen Bereichen (z.B. ein Haus besitzen, eine Wohnung kaufen, eine Mietwohnung bewohnen, etc.)
Klar umrissene Freizeitbeschä ftigungen, Freundeskreis, etc.
Hirnschäden durch Krankheit, Unfälle, etc.
Danach: oft ein extremer Bruch im Lebenslauf.
Oft vollständiger Verlust an Selbständigkeit
Betreuung oder Pflege wird oft dauerhaft notwendig.

Betreuungsvorschläge für die Betreuung von Menschen mit sog „geistiger Behinderung“

Ziel ist es, die Ressourcen der Einrichtung entsprechend den spezifischen Erfordernissen der Betreuung dieses Personenkreises optimal zu nutzen.

Charakterisierung von Untergruppen

Die Untergr uppen in der Betreuungsplanung geistig behinderter Menschen lassen sich z.B. differenzieren nach

a.) dem aktuellen Ressourcenpotential/dem erreichten Entwicklungsstand (z.B. Entwicklungsalter) (vermutet und/oder getestet)
b.) dem Ausmaß, der Häufigkeit/Schwere gezeigter Verhaltensauffälligkeiten.
c.) der Art der geistigen Behinderung

Betreuungsrahmen:

Die Betreuungsziele lassen sich differenzieren in Ziele und Maßnahmen zum Aufbauen bzw. Erhalten einer stabilen kontinuierlichen emotionalen Beziehung, in Ziele und Maßnahmen zum Erhalten und/oder Vermehren verfügbarer Ressourcen und in Ziele und Maßnahmen zum Stabilisieren der Ichstruktur im Sinne einer stabilen persönlichen Identität. Alle drei Betreuungsziele wirken zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Beispiel:
Eine feste emotionale Beziehung zum Bezugsbetreuer kann als Grundvoraussetzung für ressourcenorientiertes Arbeiten gesehen werden. Ressourcenorientiertes Arbeiten mit dem Bezugsbetreuer unterstützt wiederum den Aufbau und die Festigung einer tragfähigen emotionalen Beziehung oder einer festen vertrauensvollen Anbindung. Bezieht der Bezugsbetreuer z.B. durch die Arbeit mit Photodokumentationen aktuelles Alltagsgeschehen auf Früheres, unterstützt er das Ausbilden (oder erhalten) umweltunabhängiger persönlicher
Identität, erhält aber auch vorhandene Ressourcen, begünstigt die neuerliche Verfügbarkeit ehemaliger Ressourcen und arbeitet an einer tragfähigen Beziehung/vertrauensvollen Anbindung. Spezielle Betreuungsinhalte, wie z.B. ein Verfeinern des groben Betreuungsrahmens bzw. auf Teilleistungsschwächen gezielte Einzelförderungsmaßnahmen richten sich nach dem aktuellen Ressourcenpotential/Entwicklungsstand, der Art der Schädigung/Behinderung und den aktuell verfügbaren Ressourcen des Bewohners. In die Betreuung ist ein ressourcenorientiertes Wissen von der Ursprungsfamilie(Gegenwarts und Ursprungsfamilie bei hirnorganisch Geschädigten im Erwachsenenalter) des Betreuten (Ziel: Ressourcen erhalten und vermehren) und im Idealfall diese selbst (Ziel: emotional stabile Beziehung/Beziehungskontinuität erhalten), mit einzubeziehen.
Oft ist ein fester äußerer Rahmen mit stabilen und klaren (einfachen) zwischenmenschlichen Beziehungen, mit hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer Emotionalität eindeutigen, stabilen, transparenten und verbindlichen Bezugspersonen und stabilen Orientierungsmöglichkeiten in Raum und Zeit (Orientierung in der Kontinuität des Alltagsvollzuges) hilfreich. Bei verhaltensauffälligen Klienten ist dies in der Regel unumgänglich. (Bei Bewohnern/innen mit einem aktuellen „Entwicklungsstand“ in Teilbereichen analog eines Kindes von 6 Jahren kann die betreuende Person in einer vergleichbaren Rolle wie die Mutter oder der Vaters eines 6 jährigen Kindes sein, auch mit dem entsprechenden Ant eil an körperlicher Nähe). Bei verhaltensauffälligen geistig Behinderten ist ein Maximum an emotionaler und raumzeitlicher Stabilität und Kontinuität unumgängliche Betreuungsmaxime. Ratsam ist es ferner, die Identitätsbildung zu fördern und die Ichstruk tur weiter zu stabilisieren. Krisen und Wohlbefinden hängen davon ab, in wie weit es in der Betreuung gelingt, die Umwelten des Menschen dessen Fähigkeiten und Bedürfnissen anzupassen und nicht umgekehrt. Die „Sprache“ von geistig behinderten Menschen ist oft sehr einfach, die Muster ihres Verhaltens sind es oft auch. Manchmal tendieren BetreuerInnen bei ihren Versuchen, den behinderten Menschen zu verstehen dazu, zu kompliziert zu denken.
Bei manchen hirnorganisch geschädigten Menschen können Fremdaggressionen auch spontan auftreten, trotz adäquater Medikamentierung und unabhängig vom Umweltdesign und von der Art der Betreuung. Hilfreich ist es hier, als Betreuer auf emotionaler Distanz und möglichst auch auf körperlicher Distanz zu bleiben. Auch spielt das Geschlecht und Altersunterschiede von Betreutem und Betreuer hier oft eine große Rolle. Bei hirnorganisch
geschädigten Männern zieht ein männlicher Betreuer ähnlichen Alters oft weniger Aggressionen auf sich.

Mögliche Betreuungsrahmenmaßnahmen:

Maßnahmen zur Identitätsstabilisierung/Entwicklung der Ichstruktur/identitätserhaltende
Maßnahmen: Ein Familienfotoalbum mit erklärenden Geschichten zu den einzelnen Bildern, die die
betreuende Person und der Betreute in regelmäßigen Abständen zusammen durchgehen, kann die persönliche Identität, häufig auch das Selbstvertrauen des Klienten stabilisieren bzw. weiter entwickeln. Man kann auch eine Familienfotowand erstellen, auch um das Zimmer des Klienten persönlicher zu gestalten. Hilfreich ist es, darauf zu achten, daß dabei alltagsnah gearbeitet wird, z.B. bei geistig behinderten Menschen: Die Mutter hat samstags Käsekuchen mit einer karierten Schürze gebacken, der Klient erhält Unterstützungen, um dies ebenso tun zu können. So kann auch innerhalb „normaler“ Betreuungsmaßnahmen identitätserhaltend bzw. entwickelnd gearbeitet werden. Fotos und Gespräche über die Ursprungsfamilie und ihre Umwelt, über die verschiedenen
Heime und ihre Umwelten, über Betreuungsmaßnahmen, wie Ausflüge.., etc.. helfen zudem, die persönliche Geschichte des Bewohners und damit verbundene Fähigkeiten verfügbar zu halten und zu entwickeln (Sofortbilder sind teurer, der Bezug zwischen Bild und Geschehen kann aber unmittelbar hergestellt werden).

Aufbauen, erhalten und stabilisieren von emotional tragfähigen kontinuierlichen Beziehungen
Leben die Eltern (bei hirnorganisch Geschädigten im Erwachsenenalter: die Lebenspartner und Kinder) noch und sind sie dazu bereit, ist es bei dieser Klientengruppe sinnvoll, diese aktiv in die Betreuung mit einzubinden, um auch bei einer räumlichen Distanz zur Ursprungsfamilie eine Kontinuität in der Beziehung zu den Eltern und Angehörigen zu erhalten. Feste, verläßliche und häufige 1 zu1Betreuungsmaßnahmen mit dem Bezugsbetreuer und häufig auch das Ermöglichen von Körperkontakt stabilisieren die Beziehung zwischen Betreutem und Betreuer oft.

Ziel: Erhalten und Erweitern der verfügbaren Ressourcen
Beim Training von alltäglichen und arbeitspraktischen Fertigkeiten/Ressourcen empfiehlt es sich, direkte Be züge zur familiären Identität, bzw. zu Inhalten der Lebensgeschichte herzustellen. Die Anforderungen sollten auf die tatsächlichen Fähigkeiten des Klienten abgestimmt sein. Hilfreich ist es, zu versuchen, sich möglichst stimmig in „die Perspektive des Klienten“ zu versetzen und von dieser Sicht heraus Betreuungsziele und Maßnahmen zu
planen, mit dem Hintergrund, die eigene Entwicklung des Klienten aufzugreifen und zu unterstützen. So läuft die Betreuung weniger Gefahr, sich ausschließlich an aktuellen pädagogischen Trends zu orientieren und den eigentlich individuellen Menschen zum an eine Norm angepaßten „Kunstprodukt“ zu formen.

Zusätzliche Maßnahmen bei „verhaltensauffälligen“ geistig behinderten Menschen

Häufig bei früh erfolgtem Verlust des unmittelbaren Bezuges zur Ursprungsfamilie kann es sein, daß sich der betreute Mensch über Bruchstücke von Identitäten und über erlebte Inhalte aus der Zeit in seiner Ursprungsfamilie, z.B. mit der Psychose eines Elternteils oder irgendeiner alltäglichen Besonderheit mit der Familie, bzw. mit dem Angehörigen identifiziert (der Vater hat Elektrogeräte aus der Nachbarschaft repariert, der behinderte Sohn hat zugeschaut und heute greift er mit Vorliebe jedes erreichbare Elektrogerät und „montiert“
daran herum). Ritua le oder Verhaltensauffälligkeiten können diesen Ursprung haben und den Hintergrund haben, darüber „die Beziehung zu diesen Personen zu erhalten“. Weiß man, um wen es sich handelt (z.B. Vater, Mutter, Geschwister, eine kontinuierliche Bezugsperson etc.), kann man versuchen, wieder direkten Kontakt mit diesem Menschen zu ermöglichen. Häufig erweitert sich so automatisch das Verhaltenspotential des Klienten auf
alltagsnahe Art. Ist dies nicht möglich oder erfolgversprechend, kann man versuchen über Fotos und/oder Gespräche mit dem Klienten weitere Alltäglichkeiten der betreffenden Person für den Klienten zugänglich zu machen und so den Spielraum der Identifizierung zu erweitern. Verhaltensauffälligkeiten können auch Formen von Kommunikation sein. Versteht man die „Sprache“ und „Aussage“, läßt sich oft eine Möglichkeit finden, anders „zu kommunizieren“ oder über die „Verhaltensauffälligkeit“ ausgedrückten Sachverhalten oder nicht gestillten Bedürfnisse in der Betreuung mehr Rechnung zu tragen. „Gib mir mehr Aufmerksamkeit“, „mir ist langweilig“, „ich bin überfordert“, „mir ist es zu laut“, „das und das geht mir auf die Nerven“, „drück mich (Körpernähe), „wer ist für mich jetzt da“ etc. können Botschaften sein, die sich hinter Verhaltensauffälligkeiten verbergen. In der Regel hilft bei Verhaltensauffälligkeiten ein verstärktes Orientierungsangebot seitens der betreuenden Umwelt und eine verstärkte Klärung von für den behinderten Menschen oft unklaren Umweltstrukturen. Bei besonders „schwachen“ Betreuten (z.B. Schwerst und MehrfachBehinderten) sind
eine feste, ritualisierte und fast unumstößliche Tagesstruktur, feste Gewohnheiten mit dem Charakter von Ritualen und festen Absprachen, zeitlich konstante Betreuung durch wenige feste Bezugspersonen und Teamkonsens in der Betreuung und in der Reaktion auf das Bewohnerverhalten empfehlenswert. Da auch kleine Veränderungen in der Tagesstruktur, in der Beziehung zu den primären Bezugspersonen oder in der äußeren Umwelt destabilisierend auf den Bewohner wirken können, sind sie nach Möglichkeit zu vermeiden.
Zusätzliche Maßnahmen müssen bei selbst- und fremdaggressivem Verhalten ergriffen werden. Der Zugang in der Betreuung schwerstmehrfachbehinderter und hospitalisierter geistig behinderter Menschen findet oft über den Körper, d.h. über erlebbare Emotionalität und über Sinneswahrnehmungen statt. Oft gibt es so etwas wie primäre Sinneskanäle. Die Kommunikation und jede Form der Zuwendung in der Betreuung, auch basale Stimulationen durch das betreuende Personal sollte auf die Kenntnis des primären Sinneskanals abgestimmt
sein. Verläßliche Zuwendung und basale Stimulationen wirken zudem stabilisierend. Trotzdem ist ein oft hoher pflegerischer Aufwand mit häufigen 1 zu 1 Betreuungsmaßnahmen einzuplanen. Ein Krisenplan braucht bei geistig behinderten Menschen häufig nur beim Vorliegen von Verhaltensauffälligkeiten erstellt werden (siehe dort).

2.0 Die Betreuung von Menschen mit sog „psychischer Behinderung“

Typische Diagnosen:

Borderline Persönlichkeitsstörung, Schizophrenie, manisch depressive Persönlichkeitsstörung, Wahn, …………

Typisches im Lebenslauf:

zunächst unauffällig
Kindergarten
Grundschule
Hauptschule oder höhere Schulen
Oft leichte Auffälligkeiten in der Schulzeit, wie z.B. Konzentrationsprobleme, weniger Toleranz gegenüber Streßphasen mit erhöhten Anforderungen
Es erfolgen in der frühen Pubertät oder erst später im Erwachsenenalter erste Brüche in der Biographie, die sich als „Ausstiege/Umstiege“ bei der Festlegung auf Themen, die den Inhalten des psychotischen Konflikts zugeordnet werden können, interpretieren lassen. Diese „Umstiege“ innerhalb oder „Ausstiege“ aus dem aktuellen PersonUmweltSystem zeigen sich in Form von Brüchen oder Unterbrechungen im Lebenslauf. Solche
„Festlegungen“ können z.B. im Rahmen von Schulabschlüssen, Berufsabschlüssen, Hochschulprüfungen, Trennungen von Partner, vor oder nach dem Bau eines Eigenheimes, beim ersten Kind etc… auftreten.
Ihnen ist gemeinsam, daß bestimmte Freiheitsgrade, die vorher noch bestanden haben, wegfallen und z.B. nach der Geburt des ersten Kindes nicht mehr bestehen.
Die „Kompensation“ des psychotischen Konfliktes wird mit zunehmendem Alter und zunehmendem Druck seitens der Umwelt in Richtung „Eindeutigkeit“ zunehmend schwieriger, bis es zur sog. „Dekompensation“ kommt, einem sog. „Überfluten“ der Ich struktur
• Es folgen erste Psychiatrieaufenthalte, später erste Heimaufenthalte.
• Betreuung wird zunehmend notwendig. Die Einnahme von Psychopharmaka wird oft unumgänglich. Manchmal kommt es zu verbesserten Krankheitsverläufen, manchmal schließt sich eine Heim- und Medikamentenkarriere mit zunehmendem Verlust der vorhandenen Ressourcen und zunehmendem intellektuellen Abbau bis hin zu deutlicher hirnorganischer Schädigung an.

Hier zugrundegelegtes Verständnis des Phänomens „Psychose“:

Das hier zugrunde gelegte Verständnis von „psychischer Behinderung“ leitet sich aus einer systemischen Perspektive bei der Betrachtung familiärer Bedingtheiten der Entwicklung von Inhalten der Identität (bzw. Teilen der „Ichstruktur“) eines Menschen ab. Die späteren Klienten entwickeln im Laufe ihres Lebens, frühestens in der Pubertät psychotische Symptome, scheinbar „aus sich selbst heraus“. Aus sich selbst heraus bedeutet hier, dass sich die Entwicklung, die zum Entstehen einer Psychose führt, nicht schlüssig aus konkreten verursachenden Umweltfaktoren ableiten läßt. Beobachtbar ist zudem, daß die Klienten eine oft „nicht genügend stabile“, bzw. „nicht genügend gefestigte“ Ichstruktur zu besitzen scheinen, die es ihnen nicht gestattet, ganz alltägliche Umweltanforderungen bewältigen zu können. Alltägliche Umweltanforderungen führen nicht zur Weiterentwicklung bzw. „Reifung“ der „Persönlichkeit“, sondern zu Konfliktspannungen, die für die betroffene
Person nicht lösbar zu sein scheinen, die sich mehr und mehr „an und aufstauen“ und zu einem „Überfluten“ des „Ichs“, bzw. der „Ichstruktur“ der Person mit Inhalten aus tieferen Schichten des Bewußtseins führen können. Bei einer Psychose läßt sich gewissermaßen eine Art „Auflösen“ der Ichstruktur beobachten mit einem teilweisen oder vollständigen Verlust alltäglicher Handlungskompetenzen. Das „Wissen um die eigene Person“ ist zumindest in Ansätzen vorhanden, auch „Handlungswissen“ und „Handlungskompetenzen“. Häufig gelingt es der Person aber ohne Hilfestellungen nicht, ihr „Innenleben“ in eine (adäquate) Beziehung zur jeweiligen
„Umwelt“ zu setzen, die der Realität der jeweiligen Umwelt gerecht wird. Auch scheint es nicht möglich zu sein, „Umwelten“ auf adäquate Art der eigenen „Innenwelt“ anzupassen. Ebenso scheint es dem Menschen nicht ohne weiteres möglich zu sein, ihre „Innenwelt“ adäquat den Gegebenheiten und Anforderungen der „Außenwelt“, bzw. „Umwelt“ anzupassen. Vielfach gehen im Laufe der Erkrankung die Fähigkeiten zur adäquaten Wahrnehmung der Umwelt zumindest zeitweise verloren, ebenso das Vermögen, überhaupt wahrzunehmen, so daß eine Diskrepanz besteht zwischen „Innenwelt“ und „Außenwelt“.

Die Analyse von Familiensystemen von Menschen mit Psychose:

Bei der Analyse der Familiensysteme von Menschen mit Psychose im obigen Sinne über
mehrere Generationen hinweg läßt sich folgendes beobachten:
es finden sich in der Regel mind. zwei Alternativen für die Ausbildung geschlechtlicher Identität in der Form von „Du bist…“ Zuschreibungen. Der Mensch leitet daraus jeweils „ich bin…“ Aussagenkomplexe ab und benützt diese Zuschreibungen für sein Verständnis seiner Selbst, der Bewertung seiner Umwelt, der Bewertung des Handelns seiner Umwelt und der Bewertung seines eigenen Handelns auf seine Umwelt hin.
Diese Identitätsalternativen sind mit familienspezifischen Bewertungen versehen bzw. „besetzt“, die eine freie Entscheidung in konkreter Situation für oder gegen eine dieser familiären Identitäten verunmöglichen und zum Aufbau zueinander widersprüchlicher und einander gegenseitig ausschließender „Identitäten“ (Sets von „ich bin“, „ich tue“, „ich verstehe“- Aussagenkomplexen) führen.
• Diese Bewertungen oder Zuschreibungen haben oft den Charakter von Verboten, z.B.: „Du darfst so und so nicht sein“, d.h. „Identität“ wird auch „negativ“ vermittelt.
• Manchmal sind diese Bewertungen oder Zuschreibungen doppelbödig. D.h. in für den Menschen nicht unterscheidbaren konkreten Situation gilt einmal „Du bist.., und ein anderes Mal „Du bist nicht…“. Aber auch gleichzeitig einander ausschließende Zuschreibungen können vermittelt werden: „Du darfst so nicht sein, aber du bist so“.
• In aller Regel werden die am psychotischen Konflikt beteiligten Identitäten nur sehr „dünn vermittelt“ (es werden nur wenige Merkmale oder Eigenschaften angeboten), haben aber den Charakter einer unausweichlichen „Zuschreibung“ und „Festlegung“ auf die jeweilige geschlechtsspezifische Identität. Das führt dazu, daß der Betroffene zu wenig konkrete Informationen hat, um die jeweilige Identität auch wirklich in seinen Lebensalltag einbinden zu können. Lösungsmöglichkeiten zu zueinander widersprüchlichen Identitäten können nicht ausreichend über konkrete Umwelt-Erfahrungen gefunden werden. Entstehende Widersprüche sind existentiell, bleiben aber abstrakt und sind nicht lösbar.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß bei der Entwicklung einer im obigen Sinne
„umweltunabhängigen Psychose“ sind in der Regel folgende Voraussetzungen beteiligt:

Instabile Ichstruktur
Festlegung auf zueinander widersprüchliche familiäre Identitäten.
Die „Familie“ bietet zueinander widersprüchliche geschlechtsspezifische Identitäten an
Die Informationen über eine oder über beide Identitäten sind sehr „dünn“.

Durch die Festlegungen, Reduzierungen und Verbote seitens der Familientradition (und von Menschen, die diese verkörpern) wird eine Entwicklung der eigenen Identität und ihr differenziertes Realisieren im Lebensalltag erschwert. Für einen Menschen mit „schwacher“ Ich struktur wird sie oft verunmöglicht. Z.B. „Du bist eine Hure“ und „du bist eine ehrbare Frau“. Was aber eine Hure ist, wird nicht weiter ausgeführt und es ist nicht klar., ob man schon eine Hure ist, wenn der Freund mit einem schlafen will und man Spaß daran hat. Die realen Ursprünge dieser jetzt „abstrakten Zuschreibungen“ waren (auf der Ebene des Familiensystems) einst real lebende Personen, die in die Ursprungsfamilie eingebunden waren. Was von ihrem Leben übriggeblieben ist, sind ein paar „mit Bewertungen verdichtete Zuschreibungen“. Es sind oft die Eltern, die diese Zuschreibungen vermitteln. Geht man zurück in der Familienbiographie, findet sich in der Regel eine Generation „als Puffer“ zwischen der „Ursprungsgeneration“ und der Generation, in der ein innerer Konflikt zur Psychose eskaliert. Oft wird aber auch nur ein altes Familienthema „wieder aufgewärmt“, das in der übernächsten Generation am psychotischen Geschehen beteiligt ist. Versucht man eine alltagsnahe Betreuung von Menschen mit Psychose zu realisieren, ist es hilfreich, widersprüchliche familiäre Identitäten zu analysieren und sie der Organisation des
Lebensalltages zugrunde zu legen. Keinesfalls lassen sich aber ursächliche Beziehungen ableiten zwischen dem Vorliegen von widersprüchlichen Identitäten in der Ursprungsfamilie und dem Entstehen einer Psychose. Die meisten im sozialen Bereich beschäftigten Personen haben widersprüchliche Identitäten in ihrer Ursprungsfamilie, nicht wenige davon sind auch „etwas verrückt“, aber die wenigsten davon sind psychotisch, bzw. neigen dazu.

Gelingt es in der Betreuung,

1. die „schmale Identität“ konform und passend zur „Familienüberlieferung“, d.h. konform und passend zu familiären Modellen bzw. im Idealfall konform und passend zum einst real lebenden „Ursprungsmodell“ zu erweitern,
2. die im Alltag zwangsläufig entstehenden intrapersonellen und in der Folge extrapersonellen Konflikte durch geeignete Organisationsformen zu reduzieren,
3. dem Menschen die Möglichkeit zu bieten, eigene alltägliche Erfahrungen mit „ihren Identitäten“ zu machen,

führt dies in aller Regel zu einer Stabilisierung der Ichstruktur, zu einer Reduzierung der Krisenneigung, zu mehr „Alltagsnähe“ und Selbständigkeit. In manchen Familiensystemen gestaltet sich die Infosuche aber schwierig, meist dann, wenn „Sexualität“ und/oder „Gewalt“ ein Thema ist. Viele Eltern fühlen sich auch schuldig an der
„Erkrankung“ ihres Kindes, was großteils in Kontakten mit professionellen Helfern forciert wurde. In der Regel ist es aber für Familienangehörige erleic hternd, einen sinnvollen Beitrag zur Betreuung ihrer Kinder leisten zu können ohne sich direkt daran beteiligen zu brauchen.

In der Betreuung lassen sich 2 Ebenen unterscheiden:

1 Ebene: Realitätskontakt herstellen helfen

Häufig verlieren Menschen mit Psychose im Laufe ihrer Erkrankung die Fähigkeit, einen realitätsnahen Bezug zwischen ihrer Innenwelt und der Außenwelt bzw. Umwelt herstellen zu können. Im Kontakt mit dem Bezugsbetreuer kann daran gearbeitet werden, diesen Realitätskontakt wieder aufzubauen (Schon das Wahrnehmen und Reagieren auf die Ansprache durch den Bezugsbetreuer ist ein Realitätskontakt). Auch „Napoleon“ muss sich die Zähne putzen und einen Tagesablauf „Baustein für Baustein“ bewältigen, zwar
auf die Art, wie es Napoleon gerecht wird, aber innerhalb der Möglichkeiten der jeweiligen betreuenden Umwelt.

2. Ebene: Widersprüchliche Identitäten getrennt halten helfen und realisieren helfen

• Dieser Ansatz geht davon aus, daß die Wurzeln „psychotischen Konfliktspannungen“ auf der Ebene familiärer Ressourcen zueinander widersprüchliche gleichgeschlechtliche Familienidentitäten sind. Diese gilt es im psychotischen Geschehen und in den alltagsnahen Handlungen den Betreuten zu Zeiten, wo diese möglich sind (oder noch möglich waren) zu identifizieren, zu beschreiben und im Betreuungsalltag zu realisieren. Häufig ist es für die Betroffene ein stimmiges Bild, daß da „zwei Seelen in ihrer Brust miteinander kämpfen“. Das bedeutet für die Betreuungsarbeit, daß obig beschriebener „Realitätskontakt“ für beide Familienidentitäten realisiert werden muß mit dem Hintergrund, daß bisherige Versuche beide Identitäten zu verbinden gescheitert sind und eine Verbindung oder Verschmelzung durch „Einwirkung von Außen“ nicht möglich ist.

Wichtiger Hinweis beim Kontakt mit Familienangehörigen:

Das Klären oder Stellen von Schuldfragen führt ebensowenig ins Nichts wie das eindimensionale Klären von Kausalzusammenhängen durch gängige wissenschaftliche Äthiologiemodelle. Familienangehörige sind ebenso „Opfer“ ihrer Familientradition oder „Opfer“ der Psychose des Angehörigen, wie sie durch sie zu „Tätern“ werden.
An dem Entstehen einer Psychose sind viele noch nicht erklärbare Faktoren beteiligt. In der ressourcenorientierten Betreuungsarbeit hilft das Klären und differenzierte Beschreiben von widersprüchlichen Familienidentitäten dem Betreuer, den Lebensalltag eines psychotischen Menschen konfliktarm organisieren zu können. Widersprüchliche Familienidentitäten sind aber keine Psychoseursache.

Besonderheiten bei Aufnahme:

Beim Zeitpunkt der ersten Aufnahme in einer Institution sind Informationen über die Erstumwelt in der Regel vorhanden, Vater und Mutter sind bekannt. Über bestimmte weitergehende Themen oder Inhalte schweigt sich die Familie aber aus (Familiengeheimnisse). Die Menschen sind bei adäquater Medikamentierung und je nachdem, in wie weit es zu hirnorganischen Schäden in Folge langjähriger Medikamentierung kam, mehr oder weniger in der Lage, zumindest Teile ihres Lebensalltags selbst zu regeln.

Weitere Besonderheiten sind:

Für die jeweilige Diagnosekategorie typische Symptome wie Wahn, Halluzinationen, katatone Störungen.
Beobachtbare Ambivalenzen im alltäglichen Leben (z.B. mal der feine Herr, mal der Prolo, mal die Frau, die hauswirtschaftlich arbeitet, mal die unabhängige Frau, die sich nichts sagen läßt) Die „Persönlichkeit“ erscheint in ihren Inhalten oft eigenständig und von der aktuellen Umwelt unabhängig zu sein. Oft ist sie recht kompliziert.
Man hat den Eindruck, daß Krisen und Wohlbefinden nicht unmittelbar von Umweltfaktoren abhängen, sondern Ausdruck einer aktuellen inneren Dynamik sind, in die die betreuende Umwelt (z.B. Bezugsbetreuer) aber sehr wohl involviert werden kann. Diese Menschen lassen sich verstehen als Menschen mit psychotischen Erlebniswelten im Sinne zweier, in der Persönlichkeit doppelt angelegter, sich im gelebten Alltag in der Regel
gegenseitig ausschließender, Muster für MenschUmweltBeziehungen.

Strukturelle und personelle Erfordernisse in der Betreuung:

Betreuer, die schon durch ihr bloßes Erscheinen so etwas wie „Struktur“ vermitteln, sind für diese Klientengruppe weniger geeignet.. Feste eindeutige Strukturen fördern hier Krisen, da damit die Notwendigkeit verbunden ist, sich auf etwas festlegen zu müssen, was wiederum eine vorausgehende Entscheidung nötig macht, die der Betreffende häufig nicht treffen kann ohne in oft massive innere Konflikte zu geraten. Ideal sind sensible Betreuer mit ähnlichen Familienthemen und Strukturen wie der Klient selbst, die sensibel und bewußt auf die innere Dynamik des Betreuten reagieren können, ohne sich selbst auf eine „Identität“ festlegen zu lassen und ohne den Betreuten selbst auf eine „Identität“ festzulegen, die dabei aber trotzdem dem Betreuten, und zwar nur dann, wenn er sie tatsächlich braucht, die nötige Struktur und Orientierung in seiner jeweiligen „Welt/Identität“ anbieten können. Dies setzt ein gewisses Maß an persönlicher Stabilität voraus, die die Kenntnis der „Themen“ der eigenen Persönlichkeit, die Kenntnis eigener Grenzen und die „Unabhängigkeit“ einschließt, vom Betreuten ein „positives Feedback“ bekommen zu müssen. Generell läßt sich sagen, daß jede Form einer „eingleisigen“ Struktur in der Betreuung, die keine Freiräume offen läßt, der sicherste Weg in die nächste psychotische Krise ist.
Ideal ist das Angebot zweier Strukturen, die auf die „Welten“ des Klienten abgestimmt sind und zwischen denen der Klient beliebig hin und herwechseln kann, die aber dennoch, beide für sich und von der anderen getrennt, wenn nötig eine klare Orientierung vermitteln.

Charakterisierung von Untergruppen in der Betreuung von Menschen mit psychotischen Erlebniswelten im Sinne einer „Doppelstruktur“:

Untergruppen in der Betreuung psychisch behinderter Menschen lassen sich differenzieren nach dem aktuellen Grad der selbständigen Verfügbarkeit (Einsetzbarkeit) vorhandener Ressourcen im Sinne lebenspraktischer Fähigkeiten bzw. nach dem Grad schon erfolgten intellektuellen Abbaus bzw. Verlustes an Selbständigkeit durch Ho spitalisierung oder hirnorganischen Defekten, z.B. durch Medikamentennebenwirkungen:

Betreuungsrahmen (Psychose):
Zweispurige Betreuungsplanung im Sinne eines Angebotes zweier Welten in der Betreuung. Orientierung des Bewohners auf den lebenspraktischen Teil des Alltags mit dem Bewußtsein, dass der Bewohner zwei recht unterschiedliche und unvereinbare Arten hat, einer konkreten alltagspraktischen Handlung Bedeutung beizumessen und sich zwischen diesen unterschiedlichen Bedeutungsgehalten oft nicht entscheiden kann, die Handlung (z.B. Zähne putzen, frühstücken) selbst aber nicht das Problem ist (ist bei hirnorganischem Defekt ein
Problem).

Betreuungsmaßnahmen im Einzelnen:

Auch hier gilt das Ziel, die Ressourcen der Einrichtung auf die spezifischen Erfordernisse der Betreuung des individuellen Menschen abzustimmen und nicht umgekehrt. 1. Für Menschen mit selbständiger Verfügbarkeit der meisten ihrer Ressourcen und mit keinem bzw. kaum abgebauten intellektuellen Fähigkeiten. Diese Menschen hatten erst wenige psychotische Schübe und wenige Psychiatriekontakte. Seit dem ersten psychotischen Schub sind weniger als 10 Jahre vergangen.

Den Klienten in die Betreuungsplanung mit einbeziehen, mit ihm zusammen seine 2 „Welten“ bzw. Identitäten klären, sie von ihrer ggf. negativen Bewertung bzw. negativen moralischen Bewertung lösen und den Klienten dabei unterstützen, sie in konkreten Alltäglichkeiten umzusetzen. Banales Beispiel: („Du kannst frühstücken bzw. Zähne putzen auf diese oder auf die andere Art“. „Du kannst dir deine Zähne putzen als Frau mit Kind oder als selbständige Frau ohne Kind“). Darauf hinarbeiten, daß der Betreute zunehmend selbständig die Organisation seiner „beiden Welten“ übernimmt (er entscheidet zunehmend selbständig, auf welche Art bzw. in welchen Modi er z.B. frühstücken oder Zähne putzen will).

2. Für Menschen mit wenig Selbständigkeit im Einsetzen der vorhandenen Ressourcen (Menschen in akuter psychotischer Phase, Menschen mit intellektuellen Abbauprozessen, Defektzuständen und Hospitalisierung nach mehrjährigen Heimaufenthalten und etlichen Psychiatriekontakten (schon länger als 15 Jahre unter Medikamenten), etliche Schübe, aber noch bestehende psychotische Dynamik).

Der Betreute kann in der Regel die Organisation seiner „Themen“ und ihre Umsetzung im Lebensalltag nicht mehr oder nur teilweise selbständig übernehmen. Er braucht klare Orientierung und eine feste Struktur für jede seiner beiden Identitätsbereiche. Hilfreich ist es darauf zu achten, daß der Klient jeden Identitätsbereich ausgeglichen leben kann und nicht auf einen festgelegt wird. Hilfreich ist es auch, ihn in das Management seiner beiden Identitätsbereiche einzubeziehen. Je stärker der Betreute „abgebaut“ hat, desto mehr Orientierung und Struktur braucht er durch die Betreuung und Strukturierung seines Alltags. Ist nur ein Identitätsbereich identifizierbar und kann der zweite nicht mit Inhalt gefüllt werden, hilft es oft innerhalb der Tagesstruktur genügend Spielräume zu lassen, die der Bewohner selbst mehr oder weniger effektiv mit mehr oder weniger Inhalt füllt. Weitere Recherchen über das Familiensystem und weitere Informationssuche sind empfehlenswert, um ihn auch hierin gezielt unterstützen zu können. Die Betreuung zielt hier vielfach auf Ressourcenerhaltung ab.

Die Betreuung von Menschen mit kaum bzw. nicht mehr vorhandenen Fähigkeiten zur selbständigen Lebensgestaltung, bei meist schon geringer oder fehlender psychotischer Konfliktspannung mit oft starkem intellektuellem Abbau und deutlichen hirnorganischen Defektzuständen unterscheidet kaum mehr von der Betreuung geistig behinderter bzw. hirnorganisch geschädigter Menschen:

Hier steht Eindeutigkeit in den Orientierungsangeboten und das Angebot einer festen eindeutigen Tagesstruktur mit nur den gerade mal notwendigen Freiräumen im Vordergrund. Häufig sind diese Menschen so schwer hospitalisiert, daß ihre Individualität bis auf Rudimente abgebaut ist, womit freilich die Notwendigkeit, in der Betreuung zweier Identitätsbereiche Rechnung tragen zu müssen, nicht mehr gegeben ist. Die Orientierungsangebote ähneln denen geistig behinderter Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten. Es besteht oft hoher Pflegeaufwand. Mehr als das Erhalten der wenigen noch verfügbaren Ressourcen kann in der Betreuung oft nicht mehr geleistet werden. Oft besteht ein erhöhtes Bedürfnis nach körperlicher und menschlicher Nähe.

Bei psychotischen Menschen ist in jedem Fall ein Krisenplan zu erstellen.

Mögliche weitere Betreuungsmaßnahmen:

Maßnahmen zur Identitätsstabilisierung/Stabilisierung der Ichstruktur/identitätserhaltende Maßnahmen:
Fotos und Gespräche über die Ursprungsfamilie und die erweiterte Ursprungsfamilie (Onkels, Tanten, Cousins, Cousinen, Großeltern und deren Geschwister, Urgroßeltern und deren Geschwister), Genogrammarbeit mit dem Klienten und reduzierter Kontakt zu Vater und/oder Mutter sind fast unumgängliche Ansatzpunkte, um die beiden zueinander widersprüchlichen Identitätsanteile besser zu verstehen und im Alltag getrennt voneinander organisieren zu können. Häufig sind Personen der erweiterten Ursprungsfamilie negativ besetzt.
Genogrammarbeit kann hier helfen, damit zusammenhängende Ressourcen wieder verfügbar zu machen.
Generell kann man sagen, daß je mehr alltagsnahe Inhalte von dem bekannt sind, was die einzelnen Personen in der erweiterten Ursprungsfamilie gemacht haben, es umso einfacher ist für die Betreuer und für den Betreuten, Lebensalltag (zweispurig) zu organisieren und Krisen zu vermeiden.

Aufbauen, erhalten und stabilisieren von emotional tragfähigen kont inuierlichen Beziehungen Eltern oder Angehörige können direkt Krisen auslösen. Ratsam ist es als Betreuer, den Kontakt zu dosieren. „Wieviel Vater oder Mutter verträgt der Betreute aktuell so am Stück?“ kann eine wichtige Frage sein, die der Betreuende oft gegen den Willen der Eltern entscheiden muß. Beim Aufbau von Beziehungen ist es entscheidend, daß sich der Betreuer nicht in den „psychotischen Konflikt“ „einbauen läßt“, sonst kann es sein, daß sich nach einer Phase des
gegenseitigen guten und eindeutigen Verstehens die „Konfiktspannung plötzlich über dem Betreuer entlädt“.
Hilfreich ist es, den Betreuten immer wieder zu fragen, was denn „der Andere in ihm gerade macht und wo er gerade ist“. So lassen sich versehentliche Festlegungen reduzieren, auch wenn einzelne Inhalte der Identitäten nicht so bekannt sind. Als Gedankenstütze läßt sich verwenden, daß man als Betreuer zum „doppelten“ Betreuten
stets zwei Beziehungen aufbaut. Schön ist es, wenn beide emotional tragfähig sind, dazu ist in der Regel aber viel klärende Arbeit nötig. Alltagsnahe Identitätssuche und Erweiterung mittels Genogrammarbeit und stets darauf die Umsetzung der einzelnen Themen und Inhalte im Alltag sind in der Regel nicht zu umgehen. Hat man das Gefühl, ohne viel Arbeit, „einfach nur weil man sich gern hat“ schon eine eindeutige gute Beziehung aufgebaut zu haben, ist das als deutliches Signal für eine sich anbahnende Krise zu bewerten. Festlegungen auf eine Identität durch z.B. den Aufbau einer eindeutigen Beziehung sind zu vermeiden.

Ziel: Erhalten und Erweitern der verfügbaren Ressourcen
Bei Menschen, die hirnorganisch noch nicht abgebaut haben bzw. die noch keine Hospitalisierungsschäden haben, sind sämtliche Ressourcen um den Lebensalltag selbständig leben zu können vorhanden. Die Ressourcen sind oft nur nicht aktuell verfügbar. Versucht man, sie wie bei geistig behinderten Menschen trotzdem direkt zu trainieren, kann das ein sicherer Weg in die nächste Krise sein. Besser ist es, den Alltag so zu organisieren, daß die Gegensätzlichkeiten in der Psyche des betreuten Menschen getrennt voneinander lebbar sind. Entspannen sich über die „Organisation der Widersprüche im Außen“ die inneren psychotischen Spannungen, treten auch schon länger verschüttete Ressourcen oft ganz von alleine wieder zu Tage.

3.0 Die Betreuung sogenannter „Entwurzelter, strukturabsorbierender Menschen“

In der Regel sind dies verhaltensauffällige Menschen mit überwiegend normaler Intelligenz und frühem Komplettverlust von familiären Beziehungen.

Typisches im Lebenslauf:

In aller Regel Diskontinuität der Bezugspersonen, z.B. mehrfacher Wechsel der Bezugspersonen und/oder fortgesetzter früher Heimaufenthalt bzw. eine strukturlose Ursprungsfamilie mit sich auflösenden Strukturen bei den Eltern. Z.B.: Ein Elternteil ist Alkoholiker und der andere unerkannt. Oft starke Nachtängste, einkoten und einnässen bei Strukturverlust.

Sonstiges:
Rauschmittelkonsum, Cliquenzugehörigkeit, deutliche Suchttendenzen, Kriminalität, Verwahrlosung beim Verlust externer StrukturenAuswechselbare externe Stereotype ersetzen fehlende eigene Identität.Gelernte Überlebensstrategien sind oft an die erlebten, extremen Erstumwelten angepaßt. Keine oder nur wenige sozial adäquate Verhaltensweisen werden in den entsprechenden Entwicklungsphasen gelernt

Besonderheiten bei der Aufnahme:

Zur Aufnahme sind Informationen über Vater und Mutter weitestgehend unbekannt. Der Lebenslauf enthält oft große Lücken. Der Betreute ist oft nicht in der Lage, sich selber eine adäquate Tagesstruktur, Lebensstruktur aufzubauen und sie zu halten. Oft hat er die Fähigkeiten dazu nie entwickelt. Ebenso ist das Vertrauen in eine tragfähige und kontinuierliche Beziehung zu wichtigen Bezugspersonen erschüttert.

Weitere Besonderheiten:

Auch in späteren Phasen treten starke Ängste nachts und beim Verlust von Umweltstrukturen, ev. einkoten, einnässen, Aggressivität, psychoseähnliches Erleben oder andere Verhaltensauffälligkeiten auf, die aber rasch zurückgehen, sobald die Umwelt entsprechende Orientierung durch klar vermittelte, feste Strukturen und eine hauptsächliche Bezugsperson gibt.

Typische Diagnosen:

Borderline Persönlichkeitsstörung, aggressive Verhaltensstörung, schwer erziehbar, etc.

Erscheinungsformen in der Betreuung/Symptome:

Oft sind es schwer leitbare und schwer einzugliedernde, meist jugendlich wirkende Menschen, sog. Teamsprenger mit Verwahrlosungstendenzen und Anpassungsschwierigkeiten. Süchte und Beschaffungskriminalität, austauschbare Identität, Oppositionshaltung, Unzuverlässigkeit (Absprachen werden nicht eingehalten) und
Fremdaggressivität treten häufig auf.

Spezifische Erfordernisse der Betreuung von sog.: „entwurzelten, strukturabsorbierenden Menschen“

Die Betreuten beziehen ihre aktuelle Identität häufig und in hohem Maße aus Inhalten und Themen ihrer aktuellen sozialen Umwelt. Diese Klienten zeigen oft eine starke Ambivalenz: Einerseits brauchen sie feste Strukturen und enge personelle Anbindungen andererseits „laufen“ sie gerade gegen feste Strukturen und eindeutige personelle Beziehungen „sturm“. Häufig fordern sie in der alltäglichen Betreuung viel 1zu1Kontakt, gleichzeitig sind sie aber zurückweisend und scheinen auszutesten, ob man sie auch tatsächlich immer noch mag,
ob die Absprachen tatsächlich eingehalten werden müssen, auch wenn man jede Menge an Tricks probiert. Grundsätzlich testen sie immer wieder aus, wie weit sie bei den sie betreuenden Menschen gehen können.
Krisen und Wohlbefinden sind in hohem Maße umweltabhängig bzw. umweltstrukturabhängig. Krisen sind die direkte Folge von Umweltstrukturverlusten. Es hat den Anschein, daß bei Wegfall externer Struktur Umwelterfahrungen nicht integriert, bzw. nicht verarbeitet werden können, was häufig als gesamtexistenzgefährdent erlebt wird. Dahinter steht meist das existenzielle Bedürfnis nach einer tragfähigen Beziehung zu einer einzelnen Bezugsperson, die stabil und verläßlich ist. Die entstehenden Krisen (vielfach
mündend in aggressiven und panischen Ausbrüchen), lassen sich in der Regel rasch durch enge personelle Anbindung mit klaren und stabilen Grenzen und stabilen Umweltstrukturen wieder auffangen. Teamkonsens ist unabdingbar. Eine hauptsächlich zuständige Betreuungspersonen und ein Vertreter in deren Abwesenheit (Ansprechpartner) helfen einerseits, die Beziehungsstrukturen auf einem für diese Menschen überschaubaren Maß zu halten und andererseits das Bedürfnis nach einer hauptsächlichen, trägfähigen und emotional
stabilen Beziehung zu stillen. Bedarfsmedikamentation kann erforderlich werden. Erfahrungsgemäß wirken Beruhigungsmittel und etwas gegen Angst besser als Antipsychotika.

Personelle Erfordernisse in der Betreuung:

Gut geeignet sind Bezugsbetreuer/innen, die schon durch ihr bloßes Erscheinen so etwas wie Autorität und Struktur zum Ausdruck bringen. Die Betreuung erfordert viel Einsatz und Engagement, auch ohne die Hoffnung haben zu können, daß sich beim betreuten Menschen viel tut, bzw. daß der Betreuende in der Betreuung etwas von dem zurück bekommt, was er dem Betreuten „gibt“. Der Betreuer/die Betreuerin braucht ein Gespür dafür, wie eng die persönliche Anbindung, wie eng die gesetzte Struktur, wie eng die gesetzten Grenzen sein
müssen und sein dürfen. Durch zu enge Grenzen oder Strukturen kann wieder Überforderung entstehen. Anders als in der Betreuung psychotischer Menschen wirken hier bei sich abzeichnendem Krisenbeginn (z.B. Wahrnehmung sich aufstauender innerer Anspannung beim Betreuten) gegebene Freiräume krisenverschärfend. Ein sich einfühlender „softer“ Betreuungsstil, mit viel Freiräumen, der bei Menschen mit Psychose krisenauslösende Faktoren schon im Vorfeld abfedert, wird vom „Entwurzelten“, nachdem er mögliche Konsequenzen ausgetestet hat, ohne Hemmungen ausgenutzt werden und ist ein guter Weg in die nächste Krise. Bleiben die Krisen „ohne Wirkung“, „fährt der Betreute zunehmend härtere Gangarten“. Es ist vielfach sinnvoller, solche „teamsprengenden“ Klienten an eine Gruppe abzugeben, die mit ihnen umgehen kann, statt Betreuer und andere Betreute fortgesetzter Gefährdung auszusetzen. Hier müssen die Möglichkeiten dessen, was ein Team leisten kann, realistisch gesehen werden. Gefordert ist vom Betreuer ein (idealerweise gefühlswarmer) wohlwollender, aber klarer Betreuungsstil mit ständigem Aufrechterhalten sowohl der eigenen als auch der Grenzen des Betreuten („Wohlwollen“ muß von „Schwäche“ unterscheidbar sein). Die Frage der Geschlechterzuordnung in der Betreuung läßt sich nicht pauschal beantworten. Ob ein Betreuer oder eine Betreuerin besser zum Betreuten passt, hängt von den Vorerfahrungen und den Bedürfnissen des betreuten Menschen ab. Wichtig in der Betreuung ist emotionale Kongruenz bzw. Eindeutigkeit auf allen Ebenen der
Kommunikation. Ein Betreuer, der lächelt, während er sagt, daß er das nicht gut findet, was der Betreute gerade gemacht hat, sendet widersprüchliche Botschaften aus und wird bald nicht mehr ernstgenommen werden, bzw. zieht Aggressionen auf sich. Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Wahl des Bezugsbetreuers (auch des betreuenden Teams) ist seine „Verweildauer“ in der Einrichtung. Vorübergehende Aushilfskräfte, vorübergehende Teilzeitkräfte und Kräfte mit befristetem Arbeitsverhältnis führen nach ihrem Weggehen zu
Diskontinuität in der Betreuung. Besser sind Betreuer, die für mehrere Jahre eine konstante Betreuung aufrechterhalten können.

Strukturelle Erfordernisse in der Betreuung:

Feste Absprachen, sowohl zwischen Bezugsbetreuer und Betreutem als auch innerhalb des Teams, klare Grenzen, feste Strukturen, die für alle am Betreuungsprozeß beteiligten Personen verbindlich sind, sind hier Voraussetzung für ein Gelingen des Betreuungsauftrages. Der Betreute wird versuchen, das betreuende Team gegeneinander auszuspielen. Teamkonflikte und versäumte Absprachen unter den am Prozeß beteiligten laden geradezu
dazu ein, den betreuenden Personenkreis gegeneinander auszuspielen. Es ist ratsam sog. „Strukturgruppen“ aufzubauen, d.h. Teams, die sich ausschließlich auf die Betreuung dieses Personenkreises spezialisieren.
Eine zuständige Bezugsperson, die die Belange des Betreuten mit diesem selbst regelt und vereinbart und ein „Vertreter“ in der Gegenschicht und in der WfB/TS hat sich als Betreuungsstruktur gut bewährt.

Mögliche Betreuungsmaßnahmen im Einzelnen:

Schwächere Betreute brauchen eine feste Tagesstruktur, klare Orientierung in Raum und Zeit,
feste Ansprechpartner, feste bindende Absprachen und ein betreuendes Team, das zusammenhält und Sicherheit und Orientierung vermittelt und dem Betreuten die Umwelt so erklärt, daß sie für ihn transparent und durchschaubar wird. Je kleiner der für den Betreuten zuständige Personenkreis, desto einfacher ist es für ihn, die bestehenden emotionalen Strukturen zu verstehen. Feste, von den Zeiten her unverrückbare Gesprächsangebote durch konkrete wenige Bezugspersonen sind wichtig und hilfreich. Ein fester und zentraler Ansprechpartner (Bezugsbetreuer) für den Betreuten läßt sich in der Regel nicht umgehen. Es lassen sich Analogien bilden zur Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung, d.h. die Beziehung zu der/den primären Bezugsperson/en und diese selbst muß/müssen verläßlich, klar und transparent sein. Die Betreuungsangebote orientieren sich an den Interessen, Themen und Fähigkeiten des Bewohners. Bei Betreuten mit mehr Selbständigkeit orientiert sich die Art der Tagesstrukturierung an den Erfordernissen des betreuten Menschen. Regelmäßige Kontakte mit dem Bezugsbetreuer sind auch in einer Außen –WG unerläßlich. Ein Überschätzen des Betreuten kann die Arbeit von Jahren gefährden. Ein Krisenplan ist zu erstellen.

Maßnahmen zur Identitätsstabilisierung/Entwicklung der Ichstruktur/identitätserhaltende
Maßnahmen:
Sie können von ihren Inhalten her ähnlich wie bei geistig behinderten Menschen erfolgen. Nur ist damit zu rechnen, daß der Aufbau einer eigenständigen und positiven Identität viele Jahre dauern und viele Rückschläge beinhalten kann. Fotos und Gespräche über die Ursprungsfamilie und ihre Umwelt, über die verschiedenen
Heime und ihre Umwelten, vor allem über Betreuer, zu denen irgend eine Form von Kontinuität und positiver Bezie hung bestanden hat helfen, die persönliche Geschichte und die Identität über Vater und Mutter zum Aufbau einer eigenen und umweltunabhängigen Identität zu nutzen. Die Betreuten tendieren dazu, Bilder über ihre Identität ab und an zu vernichten. Es ist besser mit Kopien zu arbeiten und immer Originale in Reserve zu behalten. Genogrammarbeit und aktive Suche des Betreuten nach seinen eigenen Wurzeln sind ebenfalls Möglichkeiten, in der Betreuung eine stabilere Ichstruktur aufzubauen und allmählich mehr Unabhängigkeit von von außen gesetzten Strukturen und Orientierungsangeboten zu erreichen.

Aufbauen, erhalten und stabilisieren von emotional tragfähigen kontinuierlichen Beziehungen
Leben Eltern oder Angehörige noch bzw. sind sie auffindbar, ist es bei dieser Klientengruppe sinnvoll, diese mehr und mehr ins Bewußtsein der Klienten zu rücken. Hilfreich sind auch persönliche Kontakte zu Angehörigen, sofern diese dazu bereit sind. Im seltensten Fall (Idealfall) kann man sie aktiv in die Betreuung mit einbeziehen. Der Bezugsbetreuer unterstützt den Beteuten bei der für ihn zentralen Fragen: „wer bin ich“, „woher komme ich“
und trägt dazu bei, die Identität auf positiven Anteilen aufzubauen. Feste, verläßliche und klare Orientierung und feste Strukturangebote, eindeutige Kommunikation und gegenseitiger Respekt sind zentrale Bausteine beim Beziehungsaufbau (analog: Personelle Erfordernisse)

Ziel: Erhalten und Erweitern der verfügbaren Ressourcen
Beim Training von alltäglichen und arbeitspraktischen Fertigkeiten/Ressourcen empfiehlt es sich wie bei geistig behinderten Menschen, direkte Bezüge zur familiären Identität bzw. zu Inhalten der Lebensgeschichte herzustellen. Die Anforderungen sollten auf die tatsächlichen Fähigkeiten des Klienten abgestimmt sein, mit besonderem Augenmerk darauf, wie stark die Maßnahme durch äußere Strukturen und Orientierungsangebote gestützt werden muß (analog strukturelle Erfordernisse).

Inhalte systemischressourcenorientierter Betreuungsplanung

Inhalte der Betreuungspla nung sind:

a.) Die beim betreuten Menschen vorhandenen Ressourcen zur Alltagsbewältigung und Lebensgestaltung (Fähigkeiten/Fertigkeiten) entwickeln (oder wieder verfügbar machen) (siehe Achse: Ressourcen der Person).
b.) Die Gestaltung der „Anforderungen“: Im Rahmen der institutionellen Ressourcen der betreuenden Einrichtung eine für die Entwicklung oder Erhaltung der vorhandenen Ressourcen zur Alltagsbewältigung und Lebensgestaltung optimale Umwelt schaffen (siehe Achse Anforderungen).

a.) Entwickeln (wieder verfügbar machen) von Fähigkeiten.

Nach dem hier zugrundeliegenden Verständnis von Betreuungsplanung ist es ratsam, auf Dauer eine Form der Betreuungsplanung zu organisieren,

die den betreuten Menschen möglichst aktiv in den Prozeß der Betreuungsplanung mit einbezieht
bei dem der betreute Mensch als individuelles Individuum gesehen und dokumentiert wird
und bei der eine eingehende und dokumentierte Analyse der Identität des betreuten Menschen den unmittelbaren Hintergrund zum Verständnis des Menschen als Individuum abgibt

Häufig entsteht im Laufe der ersten eigenen Erfahrungen mit dem betreuten Menschen und unter mehr oder weniger starkem Einbezug von von anderen geschilderten Vorerfahrungen ein „situativ vermitteltes“ Bild vom betreuten Menschen, das der Betreuungsplanung und der Betreuung selbst zugrunde gelegt wird. Dieses Bild wird aus unterschiedlichen Eindrücken gewonnen, die oft eine Mischung aus

der aktuellen und vergangenen Symptomatik des betreuten Menschen,
seinen geschilderten Defekten und Auffälligkeiten,
den aus der gestellten Diagnose abgeleiteten eigenen Erwartungen,
dem schon erfahrenen Ärger im Umgang mit dem Betreuten,
dem Ärger, den andere erfahren hatten und uns so schildern als wäre der Betreute das
dem Pflege oder Betreuungsaufwand, den man mit dem betreuten Menschen hat,
dem Pflege und Betreuungsaufwand, den andere mit ihm/ihr hatten
den eigenen Möglichkeiten und Grenzen,
den Möglichkeiten und Grenzen früherer Betreuer, früherer betreuender Institutionen,
der eigenen bzw. vorangegangenen Motivation in der Betreuungsarbeit,
aktuellen oder vergangenen ideologischen oder wirtschaftlichen Überlegungen
und den oft spärlichen Kenntnissen der aktuellen Fähigkeiten und der Vorgeschichte des betreuten Menschen.

Oft unbewußt geht man davon aus, das so gewonnene Bild vom betreuten Menschen sei der betreute Mensch selbst. Dieses Bild ersetzt das oft nur mit gezielten Bemühungen zu beschaffende Wissen über die individuellen Fähigkeiten und Besonderheiten (Teil der persönlichen Identität) des betreuten Menschen. Im Laufe der Zeit übernimmt der betreute Mensch dieses Fremd-Bild für sich und wird ihm mehr und mehr gerecht. Der Verlust an
persönlicher Identität geht in der Regel mit einem Verlust von differenzierten Fähigkeiten zur selbständ igen Alltagsbewältigung einher. Diesen Prozeß nennt man Hospitalisierung.

Persönliche Identität
Die eigene persönliche Identität ist ein überaus komplexes Konstrukt. Sie ist „privat“, d.h. von außen nicht zugänglich. Oft ist uns selbst unsere eigene persönliche Identität nicht hinreichend bewußt. Es wird vermutet, daß sich die persönliche Identität mit Beginn der Unterscheidung zwischen „Innen“ und „Außen“ im 6ten Lebensmonat entwickelt. Sie beinhaltet kurz gesagt die quantitativ reichhaltige, qualitativ zueinander stimmige und nicht stimmige und in sich stabile Kenntnis von persönlich Erlebtem, persönlich Erworbenem und persönlich Ableitbarem. Sie ist sozusagen der „Kitt“, der die Erfahrungen, die ein Mensch macht in einen lebensgeschichtlichen Zusammenhang bringt. Damit schafft sie

die Fähigkeit, einen Zusammenhang bilden zu können zwischen dem aktuellen eigenen Handeln und früheren eigenen Handlungen.
die Fähigkeit, aktuell erlebtes und erfahrenes Geschehen eindeutig und transparent (d.h. raum zeitlich geordnet) auf eigens vergangenes erlebtes und erfahrenes Geschehen beziehen zu können, d.h. es angemessen zu „verarbeiten“ und daraus zu „lernen“.

Eine stabile persönliche Identität bildet die Grundlage für adäquate Alltagsbewältigung, für „Lernen“ und adäquates „Verarbeiten“ von Informationen.

Soziale Identität
Eine weitere Komponente der Identität eines Menschen ist die sog. „soziale Identität“. Sie beschreibt das „Bild“, das andere von uns haben. Dieses Bild wird uns zum Teil verbal, oft aber nonverbal in subtiler Form vermittelt.
Die eigene persönliche Identität (das Wissen ob der Einmaligkeit und Einzigartigkeit der eigenen Person in ihrer Entwicklung) und das Bild, das „andere“ von uns haben bilden gemeinsam das Bild aus, das wir über uns (bewußt oder teilbewußt) haben. Persönliche und soziale Identität bilden beide die Grundlage alltäglichen Handelns.
Ist die Stabilität der persönlichen Identität jedoch geschwächt, was bei „alten Menschen“ oder „Behinderten“ oft die Regel ist, kann sich der Mensch sein Wissen über die eigene Einmaligkeit und Einzigartigkeit nicht gegenüber Umwelteinflüssen bewahren. Er verliert unter dem Druck z.B. einer institutionellen Umwelt das Wissen über die eigene Identität und er übernimmt zunehmend das, was ihm seine soziale Umwelt an Wissen über sich selbst
anbietet, was oft einer defektoriententierten Sichtweise und Interpretation seiner eigenen Symptome und Auffälligkeiten entstammt. Persönliche Identität wird so oft durch Defektsicht ersetzt. Der „Mensch mit einer
Behinderung“ wird so „zum behinderten Menschen“. Dieser Prozeß kann nur vermieden werden, wenn die betreuende Umwelt persönliche Identität bewußt erhält und weiter zu entwickeln versucht. Damit stellt sich die Frage der Operationalisierbarkeit von „persönlicher Identität“ in der Betreuung.

Operationalisierbarkeit von Individualität und Identität in der Betreuungsarbeit
Persönliche Identität, d.h. das Wissen ob der Einzigartigkeit und Einmaligkeit der Person kann in der Betreuung operationalisiert werden durch

ein Verfügbarmachen und Verfügbarhalten der persönlichen Lebens und Entwicklungsgeschichte und des darin entwickelten Ressourcenpotentiales,
• ein Verfügbarmachen und Verfügbarhalten unterschiedlicher familiärer Identitäten (Gewohnheiten, Besonderhe iten)und unterschiedlicher familiärer Ressourcen als Grundlage für das Selbstbewußtsein und die Fähigkeit zu weitgehender Selbstorganisation

b.) Die Gestaltung der „Anforderungen“

Ziel: Im Rahmen der institutionellen Ressourcen der betreuenden Einrichtung eine für die Entwicklung oder Erhaltung der vorhandenen Ressourcen zur Alltagsbewältigung und Lebensgestaltung optimale Umwelt schaffen
Das mögliche „Design“ der betreuenden Umwelt liegt in den Grenzen der institutionellen Ressourcen der Einrichtung. Die spezifischen Fähigkeiten des betreuenden Teams, des Bezugsbetreuers oder Gruppenleiters, die Personalressourcen der Personal und Belegungsplanungen, die räumlichen Strukturen, das Equipment der Einrichtung, die infrastrukturellen Ressourcen der Umgebung der Einrichtung, der finanzielle Spielraum in der
Betreuung etc. legen von vorne herein ein bestimmtes Anforderungsprofil fest, zu dem der betreute Mensch „passen“ muss. In der Aufnahmeentscheidungsphase wird über die „Passung“ des künftig Betreuten zu diesem grundsätzlichen Rahmen entschieden. Ist nach den gegebenen Informationen der künftig Betreute in der Einrichtung betreubar, stellt sich dann die Frage, wie das Betreuungsangebot der Einrichtung innerhalb der Handlungsspielräume zugeschnitten werden muss, um ihrerseits zu einer optimalen Passung zwischen den Ressourcen des betreuten Menschen und der durch die Betreuung angebotenen Umwelt beitragen zu können. Dies umfaßt den allgemeinen Zuschnitt des Betreuungsrahmens sowie Details der Alltagsgestaltung, aber auch spezifische Hilfestellungen seitens des betreuenden Personals bei der Bewältigung des Alltags in der Einrichtung. Ist die Spanne zwischen dem Vermögen des Bewohners (wo steht er, was kann er?) und dem Anforderungsprofil der betreuenden Umwelt (was will die Umwelt?) zu groß, werden Krisen als Folgen von Überforderungen
unvermeidbar sein. Ist die Umwelt zu wenig differenziert, stagniert die Entwicklung, bzw. sie wird rückläufig. Reduziert die Umwelt durch ihre Angebote das Gesamtspektrum der persönlichen Identität des betreuten Menschen auf einen Teilausschnitt, wird es dem Betreuten „zu eng“ und es kommt zu krisenhaften Verläufen, zu Identitätsverlust und zum Abbau von Ressourcen zur Alltagsbewältigung. „Transportiert“ die betreuende Umwelt
irgendwelche, z.B. ideologische Inhalte oder persönliche Inhalte der Betreuer, aber nicht die Inhalte der persönlichen Identität des Betreuten, kommt es ebenfalls zu Identitätsverlust und zum Abbau von Ressourcen.

Eine optimale betreuende Umwelt ist eine Umwelt:

die den zum betreuten Menschen passenden Betreuungsrahmen anbietet
die etwas differenzierter und vom Angebot her etwas reichhaltiger ist, wie die Ressourcenlage der betreuten Person
die notwendige Hilfestellungen gibt
die das Gesamtspektrum der Identität des Betreuten durch Angebote abdecken kann
die die Inhalte der persönlichen Identität des betreuten Menschen transportiert
die der individuellen Persönlichkeit und den psychischen Erfordernissen des Klienten Rechnung trägt

Krisen vermeiden, bzw. auf Krisen adäquat reagieren:

Erstellung eines Krisenmanagements:

Dazu werden Erfahrungen aus dem Betreuungsalltag im Umgang mit krisenhaftem Verhalten des Bewohners gesammelt und beschrieben. Sie lassen sich differenzieren in Ereignisse, Abläufe, Vorkommnisse oder Betreuungsmaßnahmen, die auf den Bewohner/die Bewohnerin stabilisierend und welche destabilisierend wirken. Hat man eine Liste von destabilisierenden und stabilisierenden Faktoren erstellt, müssten sich die eingangs gemachten Hypothesen über die Zuordnung des Bewohners zu den einzelnen Betreuungskategorien widerspiegeln und diese Zuordnung bestätigen. D.h. Krisen müßten sich auslösen lassen

bei geistig behinderten Menschen durch z.B. eine Betreuungsmaßnahme, die einen höheren Entwicklungsstand voraussetzt oder eine nicht verarbeitbare Änderung des gewohnten Lebensalltages darstellt oder durch Diskontinuität in der Beziehung zu den Bezugspersonen im Heim.
bei psychisch behinderten Menschen durch eine Festlegung auf einen der beiden Identitätsbereiche.
bei entwurzelten Menschen durch das Wegfallen einer/der äußeren Ordnungen.

Für eine Erweiterung und Ergänzung des Krisenmanagements können aktuelle Infos ebenso herangezogen und genutzt werden wie Informationen aus der Betreuungsgeschichte des Bewohners. Nützlich ist es auch zu differenzieren in:

wie ist das Verhalten eines Bewohners in einer Krise?
wie und woran läßt sich eine sich anbahnende Krise erkennen (gibt es Stadien der Krisenentwicklung?)
welche Maßnahmen können in welchen Stadien der Krisenentwickung Wege aus der Krise sein?

Bei Menschen, die ihre Lebensumwelt und Innenwelt differenziert verarbeiten, sollte freilich das Krisenmanagement diese Differenziertheit widerspiegeln.

Mögliche Punkte der Krisenplanung:

Allgemein:

Was muß ich tun bzw. lassen um eine Krise auszulösen bezüglich

der Betreuung generell
der Alltagsstruktur
der Lebensumwelt
der Beziehungsgestaltung
verschiedener wichtiger Verhaltensobjekte oder Tätigkeiten etc.? (Dies ist zu unterlassen)

Welches Wissen habe ich über bisherige Krisen der Person?

Wie bahnen sie sich an?
Wann/was sind typische Zeitpunkte, Lebensereignisse etc. für das entstehen von Krisen
Welche Inhalte/welches Verhalten haben sie zur Folge?

Welches war die allererste Krise in der Biographie der Person?

Wann geschah sie?
Welche Inhalte bzw. welches Verhalten beinhaltete das krisenhafte Geschehen?
Was geschah parallel im Lebensumfeld der Person?

Welche Maßnahmen können zu welchen Stadien der Krisenentwicklung Wege aus der Krise sein?

bezüglich der Betreuung generell
bezüglich der Alltagsstruktur
bezüglich der Lebensumwelt
bezüglich der Beziehungsgestaltung
bezüglich verschiedener wichtiger Verhaltensobjekte oder Tätigkeiten etc.?

Welche Konsequenzen hat eine aktuelle Krise für das betreuende Team?

Ist 1zu1Betreuung notwendig, wenn ja, wer leistet sie und wie kann sie im Team realisiert werden (Notfallschichtpläne etc.)?
Sind zusätzliche Kräfte für die entsprechende Zeit zur Betreuung hinzuzuziehen?
Wer kann besonders gut mit dem Betreuten und wirkt stabilisierend, wer nicht, bzw. sollte nicht hinzugezogen werden, bzw. wirkt eher weiter destabilisierend?
Welche Maßnahmen sind kurzfristig/längerfristig zu treffen?
Wie kann sichergestellt werden, daß das Team bei der Betreuung am „selben Strang zieht“ (besonders wichtig bei der Betreuung von „Entwurzelten“, verhaltensauffälliger geistig Behinderter und Psychotiker in einer akuten Krise).

Welche weiteren Versorgungsmaßnahmen sind zu treffen?

Welcher ärztliche Kontakt ist herzustellen?
Welche Medikamente sind nötig?
Wer ist zu informieren?

Zusätzliche Punkte im Krisenmanagement differenziert auf die Personengruppen:

Verhaltensauffällige geistig behinderte Menschen / Entwurzelte Menschen:

Welche Verhaltensrichtlinien bzw. Grenzen oder Ra hmenbedingungen sind zu setzen, wo müssen welche Freiräume bestehen.
Welche Bezugspersonen können deeskalierend wirken bzw. tätig werden.
Wo muß Kontinuität bestehen, bzw. wo sind Veränderungen zu vermeiden bezüglich der Alltagsstruktur, der Lebensumwelten, der Wohnumwelten, etc.?

Psychisch Behinderte:

Wie läßt sich das „innere Chaos“ und die resultierenden „inneren Spannungen“ mit Hilfe des ZweiWeltenModells im „Außen“ organisieren bzw. abbauen.(Organisation bzw. Aufbau zweier Arbeitsumwelten, zweier Freizeitumwelten, zweier Arten der/des Bezugsbetreuer/in/s mit dem Bewohner, Beziehung aufzunehmen, zweier Arten von Beziehungen zu anderen Heimbewohnern…..), d.h. welche konkreten Maßnahmen können/müssen aus der Kenntnis über die „doppelte“ Person getroffen werden?

Anhang: Ressourcenbereiche für „schwache Betreute“

Bei selbständigeren Betreuten empfiehlt sich eine Ressourcenbereichseinteilung anhand von Lebensbereichen (siehe Seite 11) Für Betreute mit weniger Selbständigkeit ist es ratsamer, die Förder bzw. Ressourcenbereiche „engmaschiger“ zu wählen.

Ressourcenbereiche aus dem Tagesablauf

Z.B. Tagesablauf an Arbeitstagen

Aufstehen:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Gewohnheiten bestehen hier?
• Welche Art geweckt zu werden paßt am besten zum betreuten Menschen?
• Wie ist er gewohnt geweckt zu werden?
• Frühaufsteher/ Spätaufsteher?
• Welche Zeit braucht der Betreute zum Aufstehen?
• Welche Unterstützung braucht er, was kann er alleine?
• Welchen Besonderheiten gilt es Rechnung zu tragen?
• Welche Zeit braucht der betreute Mensch zum Aufstehen?

Morgentoilette:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie mitbekommen?
• Welche Art Morgentoilette ist der Betreute gewohnt?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Wie wäscht sich der betreute Mensch? Welche Gewohnheiten hat er hier?
• Welche Zeit braucht der betreute Mensch zur Morgentoilette?

Ankleiden:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Art des Ankleidens ist der Betreute gewohnt?
• Welche Art Kleidung ist er gewohnt? Worauf legt er Wert?
• Unterscheidet er zwischen Freizeitkleidung und Arbeitskleidung?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Welche Zeit braucht der betreute Mensch zum Abkleiden?

Frühstück:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Art des Frühstücks und welche Abläufe ist der Betreute gewohnt?
• Welche Nahrungsmittel ist er gewohnt? Worauf legt er Wert?
• Frühstückt er gerne alleine oder in Gesellschaft?
• Ist er beim Frühstück eher Morgenmuffel oder eher aufgeschlossen?
• Unterscheidet er zwischen Frühstück an Arbeitstagen und Freizeittagen?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Welche Zeit braucht der Betreute Mensch zum Frühstücken?
• Welche Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?

Welche Rituale bestehen?

• Fertigmachen um zur Arbeit zu gehen
• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Besonderheiten und Abläufe ist der Betreute gewohnt?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Welche Zeit braucht der betreute Mensch, um sich zur Arbeit fertigzumachen?
• Welche Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale bestehen?
• Was gehört an Gegenständen mit dazu?

Weg zur Arbeitsstelle:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Besonderheiten und Abläufe ist der Betreute gewohnt?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Welchen Zeitraum für den Arbeitsweg ist der Betreute gewohnt?
• Welche Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale bestehen?
• Was gehört an Gegenständen mit dazu?
• Ist er hier eher Einzelgänger oder eher Gruppenmensch?

Am Arbeitsplatz:

Arbeiten:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Art des Arbeitens, welche Modalitäten bei der Arbeitsvorbereitung, der Instruktion der Arbeit,
• Der Nachbereitung der Arbeit, ist der Betreute gewohnt?
• Welche Werkstoffe und Tätigkeiten und welche Abläufe ist der Betreute gewohnt, worauf legt er
• Wert, was liegt ihm und was nicht?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Arbeitet der Betreute gerne alleine oder in der Gruppe?
• Welche Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale bestehen?

Arbeitspausen:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Art der Pausengestaltung ist der Betreute gewohnt?
• Macht er/sie gerne alleine oder in der Gruppe Pause?
• Welche Gewohnheiten, Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale bestehen?

Weg zurück zum Wohnort:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Besonderheiten und Abläufe ist der Betreute gewohnt?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Welchen Zeitraum für den Arbeitsweg ist der Betreute gewohnt?
• Welche Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale bestehen?
• Was gehört an Gegenständen mit dazu?
• Ist er hier eher Einzelgänger oder eher Gruppenmensch?

Feierabend:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Besonderheiten und Abläufe ist der Betreute gewohnt?
• Welche Tätigkeiten ist der betreute Mensch gewohnt, welche Fähigkeiten/Kenntnisse hat er hierzu und
• Wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten, Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale gehören dazu?
• Was gehört an Gegenständen mit dazu?
• Ist er am Feierabend eher Einzelgänger oder eher Gruppenmensch?

Abendessen:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Art des Abendessens und welche Abläufe ist der Betreute gewohnt?
• Welche Nahrungsmittel ist er gewohnt? Worauf legt er Wert?
• Ist er gerne alleine oder in Gesellschaft?
• Unterscheidet er zwischen Abendessen an Arbeitstagen und Freizeittagen?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Welche Zeit braucht der betreute Mensch zum Abendessen?
• Welche Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale bestehen?

nach dem Abendessen:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Besonderheiten und Abläufe ist der Betreute gewohnt?
Welche Tätigkeiten ist der betreute Mensch gewohnt, welche Fähigkeiten/Kenntnisse hat er hierzu und
• Wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten, Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale gehören dazu?
• Was gehört an Gegenständen mit dazu?
• Ist er eher Einzelgänger oder eher Gruppenmensch?

Auskleiden:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Art Kleidung für die Nacht ist er gewohnt? Worauf legt er Wert?
• Unterscheidet er hier zwischen Freizeit und Arbeitstagen?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Welche Zeit braucht der betreute Mensch zum Auskleiden?

Abendtoilette:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie mitbekommen?
• Welche Art Abendtoilette ist der Betreute gewohnt?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Wie wäscht sich der betreute Mensch? Welche Gewohnheiten hat er hier?
• Welche Gewohnheiten, Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale gehören dazu?
• Welche Zeit braucht der betreute Mensch zur Abendtoilette?

Schlafen gehen:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Fähigkeiten bestehen und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten, Vorlieben und Besonderheiten bestehen?
• Welche Rituale gehören dazu?

Was gehört an Gegenständen mit dazu?

Nachts:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Fähigkeiten bestehen und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten, Vorlieben und Besonderheiten bestehen?
• Welche Rituale gehören dazu?
• Was gehört an Gegenständen mit dazu?
• Schläft er lieber alleine oder mit anderen zusammen?
• Schläft er durch oder ist er nachtaktiv?

Toilettengänge:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Gewohnheiten hat er hier?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten, Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale gehören dazu?
• Welche Zeit braucht der betreute Mensch auf der Toilette?

Kaffee trinken:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Abläufe ist der Betreute gewohnt?
• Welche Nahrungsmittel ist er gewohnt? Worauf legt er Wert?
• Ist er gerne alleine oder in Gesellschaft?
• Unterscheidet er zwischen Kaffeetrinken an Arbeitstagen und Freizeittagen?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Welche Zeit braucht der betreute Mensch zum Kaffeetrinken?
• Welche Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale bestehen?

Mittagessen:

• Was hat der betreute Mensch von seiner Familie hierzu mitbekommen?
• Welche Art des Mittagessens und welche Abläufe ist der Betreute gewohnt?
• Welche Nahrungsmittel ist er gewohnt? Worauf legt er Wert?
• Ist er gerne alleine oder in Gesellschaft?
• Unterscheidet er zwischen Mittagessen an Arbeitstagen und Freizeittagen?
• Über welche Fähigkeiten/Kenntnisse verfügt er und wo besteht Unterstützungsbedarf?
• Welche Gewohnheiten bestehen noch?
• Welche Zeit braucht der Betreute Mensch zum Mittagessen?
• Welche Vorlieben und Besonderheiten bestehen noch?
• Welche Rituale bestehen?

Ressourcenbereiche (orientiert an ATL’s ):

Mobilität:

Sicherheit:

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) sicher…

sich räumlich orientieren
• sich zeitlich orientieren
sich wohlfühlen
ausgeglichen sein
Realitäten einschätzen
realitätsangemessen wahrnehmen und die Wahrnehmungen entsprechend verarbeiten/umsetzen
angemessen emotional reagieren
seinen Körper koordinieren
eigene Bedürfnisse befriedigen
motorisch aktiv sein
• situationsangemessen reagieren
• ……

Toleranz gegenüber Suchtobjekten/Suchtsubstanzen:

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) sicher…

von Suchtobjekten/Suchtsubstanzen unabhängig sein

Kommunikation:

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität)…

seine Wahrnehmungen mitteilen
seine Gefühle mitteilen
seine Gedanken mitteilen
sich sprachlich ausdrücken
sich schriftlich ausdrücken
sich mimisch ausdrücken
sich gestisch ausdrücken
• über Fremdsprachenkenntnisse verfügen
….

Körperhygiene:

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) selbständig…

sein bezüglich seiner Körperpflege
• duschen
• sich verschiedene Körperstellen waschen
• sich die Haare waschen
• mit unterschiedlichen Toilettenartikeln umgehen
• seine Wäsche wechseln

Alltagspraktische Fähigkeiten:

Umgang mit Geld:

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) selbständig…

• Geldverständnis entwickeln/zeigen
sein eigenes Girokonto/Sparbuch verwalten
sich ein Geld über XX Zeiträume sinnvoll einteilen
• …

Hauswirtschaftliche Fähigkeiten:

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) selbständig…

• seine Wäsche waschen
• seine Wäsche zusammenlegen/versorgen
• Wäsche versorgen
• sein Zimmer sauber halten
die Verantwortung für sein Zimmer übernehmen
kochen/waschen/bügeln…
andere versorgen
mit Nahrungsmitteln umgehen
• Nahrungsmittel aufbewahren
• …
• einkaufen
sich an der Essenszubereitung beteiligen
sich/anderen Essen zubereiten
• abwaschen/abspülen

Bereich: AT/BT/WfB/Arbeit/Freizeit

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) selbständig…

Interessen in Arbeit/Tätigkeit umsetzen (Interessenliste)
• Arbeitsverhalten zeigen
Ausdauer bei der Arbeit/Beschäftigung entwickeln
motiviert arbeiten/tätig sein
• motorische Fertigkeiten in Arbeit/Tätigkeit umsetzen (Liste der motorischen Fähigkeiten)
Intellektuelle Fertigkeiten in Arbeit/Tätigkeit umsetzen (Liste der intellektuellen Fertigkeiten)

Soziale Ressourcen:

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) selbständig…

• sich allgemeiner sozialer Fertigkeiten bedienen
sich familiärer Beziehungsressourcen bedienen
• den Kontakt zu anderen suchen
Beziehungen aufbauen
Empathie entwickeln
• die Gedanken anderer nachvollziehen
die Bedürfnisse anderer nachvollziehen
• andere verstehen
für andere sorgen

Sexualität/Beziehung

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) selbständig…

bewußt mit Sexualität umgehen
• sexuell aktiv sein
• Verhütungsmittel einsetzen
• …

Ruhen/Schlafen:

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) selbständig..

• Einschlafen (Rituale?)
Durchschlafen
• Aufwachen
Aufstehen
einen geregelten WachSchlafRhythmus aufrechterhalten

Nahrungsaufnahme/Ausscheidung:

Leitfrage:
Der/die Bewohner/in kann wann, wo (in welcher Lebenssituation) und wie (Quantität, Qualität) selbständig…

• Situationsangemessen essen
Situationsangemessen trinken
eine adäquate Essensmenge einschätzen
notwendige Diäten halten
für den Erhalt der eigenen körperlichen Gesundheit sorgen

Hinweise für das Führen von Gesprächen mit Angehörigen

Sie werden in der Betreuungsarbeit sicherlich schon die Erfahrung gemacht haben, dass Familienangehörige nicht gerade erbaut sind, fordert man sie dazu auf, intime Details aus dem Leben von Familienangehörigen zu schildern. Das ist verständlich, aber gerade intime Details sind es auch nicht, was man hier in Erfahrung bringen sollte. Was sie wissen müssen, sind alltagspraktische Inhalte von Familienangehörigen des selben Geschlechts wie ihr Betreuter. Z.B. bei einem männlichen Betreuten: „War der Opa ein Frühaufsteher oder hat er gerne
ausgeschlafen“. „Wenn er nicht zur Arbeit mußte hat er dann gerne ausgeschlafen oder stand er auch früh auf“. Wenn er arbeiten ging, was hat er angezogen?“ „Hat er Vesper oder zu trinken mitgenommen?“ Wie war sein Gang…? Diese Fragen helfen Ihnen das morgendliche „Arbeiten gehen“ ihres psychotischen Klienten zu organisieren. Ihrem Klienten helfen sie, seine Eigenheiten in einer geschichtlichen Entwicklung zu sehen und ein Bewußtsein für die hinter seiner Symptomatik verborgene liegenden Ressourcen zu bekommen. Außerdem
verwurzeln sie ihn in der Kontinuität seiner Familie und seinen Familienressourcen, was jene Hospitalisierungserscheinungen vermeiden läßt, die auf Identitätsverlust beruhen. Zudem bekommen sowohl die Familienangehörigen, als auch der Klient die Möglichkeit zu lernen, dass es außer dem Stress und den Familienkonflikten noch eine andere Sichtweise der Familie gibt. Auch Ihnen hilft es dabei von einer Defektorientierung in der Betreuung allmählich zu einer Ressourcenorientierung zu gelangen. Auf ganz natürliche Art und Weise umgehen Sie so viele Probleme in die andere professionelle Betreuer oft geraten, bis hin zu dem Kampf mit Familienangehörigen, die beweisen müssen, daß sie keine Schuld an der Psychose der
Klienten haben.

Weitere Hinweise für das Führen von Familiengesprächen

Planen Sie das Gespräch:

Was wollen sie fragen?
Funktioniert der Stift, den Sie bereitgelegt haben?
Mit „wem“ wollen Sie über „wen“ „was“ in Erfahrung bringen?
Wie wollen Sie dabei vorgehen?
Wo und wann wird das Gespräch in welchem Rahmen stattfinden?

Überlegen Sie, „wie“ Sie zu „welcher Zeit“ anrufen möchten um den ersten Kontakt herzustellen und mit „welchen“ Inhalten Sie ihn füllen.

Wenn Sie abends um 21.30 Uhr anrufen, mag das für Sie die beste Zeit sein. Der Angehörige hingegen wird einen gehörigen Schrecken bekommen und annehmen, es sei etwas passiert. Wenn sie dann sagen: „Hallo ich bin der Bezugsbetreuer von Herrn X. und habe gerade nichts zu tun und wollte mal mit ihnen plaudern“, werden sie nur mit geringer Wahrscheinlichkeit Wohlwollen ernten.

Häufig telefoniert man von Dienstzimmern aus, in denen gerade Kollegen oder andere Klienten tätig sind. Der damit verbundene Lärm lenkt Sie ab und stört den Angehörigen. Es wird kaum das Gefühl einer verbindlichen und geschützten Atmosphäre entstehen können, schon gar nicht, wenn sie ein persönliches Gespräch unter diesen Bedingungen führen wollen.

Generelle Regel: Unterlassen Sie es bei der ersten Kontaktaufnahme, inhaltliche Fragen zu stellen. Stellen Sie sich mit Namen vor und beschreiben Sie Ihre Tätigkeit in der Einrichtung. Laden Sie entweder zu einem Besuch vor Ort mit nettem Kaffeetrinken und Kuchen essen ein, oder stellen Sie per Telefon erst einmal die Bereitschaft her, daß der Angehörige Ihnen bei der Betreuung helfen möchte.

Bei den Gesprächen mit Angehörigen geht es darum, daß Ihnen der jeweilige Angehörige dabei hilft, den Betreuungsalltag für Ihren Klienten (der Verwandten des Angehörigen) besser organisieren zu können.

Sagen Sie ganz offen, daß Sie diese Hilfe benötigen, warum Sie diese Hilfe benötigen und dass es um alltagspraktische Informationen geht. Lassen Sie durch Ihre Fragen keinen Zweifel aufkommen, daß Sie auch wirklich nur an alltäglichen Kleinigkeiten interessiert sind. Angehörige sind aufgrund der gemachten Erfahrungen im Umgang mit professionellen Helfern oft mißtrauisch geworden und es kann sein, dass man Sie
austesten wird, ob Sie nicht doch nur Schuld zuweisen wollen.

• Sorgen Sie dafür, daß sich der Angehörige wohl fühlt. Oft entscheidet ein solches Grundgefühl, daß der Angehörige aus dem Gespräch mitnimmt mehr wie die angesprochenen Inhalte darüber, ob es zu weiteren Gesprächen kommt.

• Es ist selten ratsam, den Klienten mit zum Gespräch zu bitten. Der Verlauf des Gespräches ist weniger kontrollierbar und die Gefahr, in Beziehungskisten involviert zu werden ist hoch.

• Fragen Sie nie (zumindest nicht bevor eine stabile Vertrauensbasis besteht), ob es noch andere Auffälligkeiten in der Familie gibt, bzw. ob noch andere Familienangehörige psychotisch sind. Kein Angehöriger stammt gern aus einer kranken oder psychotischen Familie bzw. wird gerne damit in Verbindung gebracht.

• Hilfreich ist es oft, Familienbilder mit einzubeziehen. Die Anordnung der Beteiligten, der Hintergrund des Bildes, die Kleidung, die getragenen Schuhe im Vergleich zur Kleidung und das allen im Verhältnis zu den Gepflogenheiten der Zeit, zu der das Foto entstand, können interessante Hinweise enthalten. Außerdem können Sie äußerliche Ähnlichkeiten zwischen den Personen auf dem Bild und ihrem Klienten erkennen und den Klienten auch darüber als Teil seiner Familie identifizieren.